Mittwoch, 16. Januar 2019

Zurück im Gewusel

(Wegen Wifi-Problemen verspätet)

Gestern brachte ein Zug uns zurück ins indische Gewusel. Wir aßen am Bahnhof frittierte Linsenfladen, kauften “fruit halva”, Tee, Cashewnüsse und Bananen und stiegen dann in den Zug. Wegen des enormen Gruppenschwunds aufgrund von Krankheit, Unpässlichkeit und eigenen Unternehmungen (zwei Personen waren über den Tag zu einer Bischofsweihe gefahren und sollten abends zu uns stoßen, und insgesamt drei Personen ruhten sich aus verschiedenen gesundheitlichen Gründen im Hotel Femina in Trichy aus) hatten wir 11 Plätze für 6 Personen zur Verfügung und mussten feststellen, dass es zu elft ganz schön knapp geworden wäre - und da haben wir unser Gepäck schon erheblich abgespeckt! Es folgten drei Stunden Zugfahrt durch die indische Landschaft, im warmen Luftzug, der durch die vergitterten Fenster hereinwehte. Verkäufer mit Körben und Schüsseln auf dem Kopf gingen durch die Abteile und verkauften frittiertes Spritzgebäck, Früchte und Ananasschnitze mit Chilipulver und Salz. Tee- und Kaffeeverkäufer trugen Edelstahlbehälter mit Ausgusshahn, in denen sie eine Wasser-, Milch- und Zuckermischung hatten, die sie dann je nach Wunsch entweder mit einem Teebeutel oder mit Pulverkaffee anreicherten. An unserem Ankunftsort Madurai nahmen wir angesichts der Treppen einen der rotgekleideten Träger zur Hilfe, der sich zwei aufeinander gestapelte Koffer auf den Kopf lud, eine Reisetasche über seine Achsel hängte und mit dieser Last die Treppe hinaufstieg. Drei Rikshas fuhren uns ins “Hotel Supreme”, und dann wurden unsere Koffer vom Hotelpersonal in die Zimmer gebracht. Die “Zivilisation” hat uns also wieder und damit die Aufteilung in “Dienende” und “Bediente”, und wegen dem Geld in unseren Taschen ist es klar, zu welcher Kategorie wir hier gehören. 

(Später)
Der Wifi-Anschluss im Hotel Supreme in Madurai funktioniert heute nicht, was uns ganz rastlos macht. Als ich 2007 zum ersten Mal in Indien war, war an Wifi im Hotelzimmer nicht zu denken - wenn man telefonieren wollte, ging man in einen Telefonladen, stand in einer von einem Ventilator belüfteten Telefonbox und zahlte hinterher einen horrenden Preis. Lärm und Staub und Schmutz von Madurai sind anstrengend. Ich versuchte mir heute vorzustellen, wie es wohl gewesen sein muss, hier vor etwa hundert Jahren durch die Straßen zu gehen, stellte mir die Häuser sauber vor, die Läden farbenfroh und die Menschen würdevoll und gechmackvoll gekleidet. P weckte mich schnell aus meinem Traum, indem sie sagte, die Armut sei damals entsetzlich gewesen. Ich weiß nicht, ob sie recht hat, und ich bin mir auch nicht sicher, wie “Armut” zu definieren ist. Sich einen riesigen Fensehapparat leisten zu können,  vor dem man dann sein halbes Leben verdöst, ist Armut in einem anderen Sinn, und ob es heute Menschen in Indien gibt, die verhungern, kann ich nicht sagen. Wie immer ist die Wirklichkeit vielfältiger als unser Bedürfnis nach einfachen Erklärungen es sich wünschen würde. 

Wir gingen durch eine enge Gasse, in der ein Optikerladen neben dem anderen lag. Man hatte buchstäblich das Gefühl, durch Dreck zu waten. Ein Gefühl der Trostlosigkeit ergriff mich. Der Schmutz scheint manchmal ganz einfach übermächtig, lähmend, deprimierend, besitzergreifend. 

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