Freitag, 11. Januar 2019

Indischer Optimismus

Ein weiteres Problem erforderte eine Lösung - eine der Teilnehmerinnen musste zum Arzt gebracht werden, nachdem ein langes Beratungsgespräch mit einer französischen Ärztin zu dem Schluss geführt hat, dass es vielleicht besser ist, wenn sie ihre Reise abbricht und nach Schweden zurückfliegt. Hartnäckige Schmerzen im Bein in Kombination mit Taubheitsgefühl deuten auf einen eingklemmten und entzündeten Nerv hin. Wie auch immer ihre Entscheidung aussehen würde - sie bräuchte ein Attest vom Arzt und außerdem neue Medizin. Also setzten wir uns in eine Riskha und ließen uns vor dem “Krankenhaus” von Kulitthalai absetzen, einem unschenibaren Haus, wo man uns sofort zum Arzt brachte, einem grauhaarigen Mann mit lila T-Shirt, der uns mit einem entwaffnenden Lächeln empfing und seine weibliche Kollegin herbeirief. In dem winzigen Sprechzimmer wurde jetzt mit gemeinsamen Sprach-Anstrengungen und unter viel Gelächter eine Anamnese erstellt, nach dem trübsinnigen Nachmittag mit dem trübsinnigen Bescheid der französischen Ärztin eine willkommene Abwechslung. Jedes Mal, wenn der Arzt auf eine Klingel drückte, kam sofort eine der Schwester herein und brachte, worum er sie bat. Der Befund war wohl derselbe, aber die Schlussfolgerung eine andere: insgesamt vier Tabletten und die Behandlung mit Anti Pain Oil, so erklärte man uns, würde innerhalb von zwei Tagen zur kompletten Besserung führen - eine Heimreise sei nicht erforderlich. Am Ende kauften wir in einer improvisiert zusammengenagelten Apotheke im Eingangsbereich des “Krankenhauses” die Tabletten und das Öl - der gesamte Spaß kostete 150 Rupies, Behandlung inklusive, ca. zwei Euro. Erleichtert und aufgekratzt tuckerten wir mit der Riksha zurück zum Ashram.

Inzwischen ist bereits ein Tag von zweien vergangen, und die Vorhersage hat sich noch nicht ganz bewahrheitet. Wir überlegten, ob die Prognose in das Kapitel “ indischer Optimismus” einzuordnen ist, der zum Beispiel unsere Minibusfahrer immer zu der Annahme bringt, dass sie das gesamte (gewaltige) Gepäck unserer elfköpfigen Gruppe auf einem etwa einen Quadratmeter großen Stauraum unterbringen können. Komischerweise hat das im letzten Bus wirklich funktioniert - allerdings blieb ja wie bereits berichtet ein Koffer einfach stehen. Vielleicht wird bis morgen wirklich noch ein Wunder geschehen - ich werde davon berichten.


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