Donnerstag, 7. Februar 2019

Wieder zu Hause

Inzwischen sind wir wieder seit einigen Tage zu Hause. 

Die Rückkehr war seltsam. Als wäre ich zwischen zwei Welten in ein Loch gefallen. Beide Welten fühlten sich gleichermaßen unwirklich an. In den letzten Tagen habe ich viel Zeit damit verbracht, mich in meiner Wohnung wieder zurechtzufinden. Wäsche gewaschen, Papiere geordnet, lange nach Selbstverständlichem gesucht, ausgemistet. Ein Bedürfnis nach Einfachheit - abspecken, herausfinden, was ich eigentlich in meinem Leben brauche. 

Am Anfang dröhnte mir die Stille in den Ohren. Der Husten plagt mich immer noch, und ich habe andauernd das Bedürfnis, mich hinzulegen und zu schlafen. Es regnet und ist grau. Die Fahrradkette war verrostet. Der Staub hatte sich auf den Möbeln angesammelt. Reste von der Weihnachtsdekoration lagen noch herum. Im Briefhaufen lag das Formular für die Steuererklärung. Ich musste wieder meine Winterjacke und meine Thermohose anziehen und mit dem Fahrrad durch den Schneeregen zum Einkaufen fahren.

Im Flugzeug von Delhi nach Kopenhagen habe ich mir übrigens drei Bollywood-Filme ("Krawaan", "Qarib Qarib Singlle" und "A Death in Gunj") am Stück angeschaut und war so begeistert, dass ich mir jetzt in der Bibliothek in Malmö alle Bollywood-Filme ausleihe, die es dort gibt. Mit Hilfe der Filme gelingt es mir, das Indien-Gefühl etwas zu verlängern, aber auch, es zu ergänzen, zu erweitern.

Will ich wieder nach Indien fahren? Vielleicht. Ja. Vielleicht.

Der Blog endet wohl hier. Die Reise geht natürlich weiter. 



Mittwoch, 6. Februar 2019

Ashram-Tagebuch


Im Ashram habe ich Tagebuch geschrieben. Hier kommen einige Auszüge daraus:


24/01/2019

Nach einer angespannten und anstrengenden Reise im Ashram Shantivanam. Erleichtert, ein Einzelzimmer bekommen zu haben. So froh, dem Laerm, dem Getuemmel entkommmen zu sein.


Der Ventilator laeuft volle Pulle. Statt Blog schreibe ich jetzt Tagebuch. Lesen, zeichnen, schreiben. Yoga, Meditation.

Es ist gut, hier zu sein. Ich weiss nicht, was uns die ganze Zeit in der Welt herumtreibt - die Gier nach neuen Erlebnissen, Eindruecken, die Angst vor der Leere, der Wunsch, etwas Besonderes zu sein. Aber auch der Wunsch, den Horizont weiter zu machen, sich auf Neues einzulassen, staunen zu koennen. Die Welt ist verrueckt und schoen, aber es wird auch deutlich, dass Leben staendig und ueberall Leiden bedeutet.


Habe nach der Ankunft eine grosse Ladung Waesche per Hand gewaschen und aufgehaengt. Sehne mich nach einem geregelten, ruhigen Tagesablauf, ohne Aufregung oder Laerm.


25/01/2019

Muss mich gerade abschirmen gegen den Welterklaerungs-Monolog eines Australiers vor der Tuer meines Nachbarn John, der ihm geduldig zuhoert. John, der meine Sympathie hat, nicht nur, weil er nach dem Fruehstueck losgeht, um Huehnerfleisch fuer die Kaetzchen zu kaufen, die im Ashram nur Milch und vegetarisches Futter bekommen.

Begann den Tag mit Namayapa, gefolgt von einem Spaziergang ins Dorf. Der Hund, dessen Schwanz vor einigen Wochen abgefahren wurde, so dass er mit einem uebel aussehenden blutigen Stumpf herumlief, ist noch am Leben. Er humpelt zwar und laeuft hin und wieder auf drei Beinen, aber der verunstaltete Schwanzstumpf hat angefangen zu heilen.

Sitze in der Bibliothek des Ashrams. Alte Buechervitrinen mit Glastueren. In Plastik gebundene Buecher, die die Spuren des feuchten Klimas tragen. Man koennte sich hier einschliessen und in diese Buecher versinken. Und waehrend ich das schreibe, erinnere ich mich vage an ein Buch, das ich irgendwann einmal gelesen habe: Es kam darin eine eine alte Frau vor, die in einem Turm eingeschlossen war. Sie hatte dort ihr ganzes Leben verbracht. Alles, was sie von der Welt wusste, hatte sie in Buechern gelesen.

(Spaeter)

Ein langsamer, heisser Tag. Nach der vormittaeglichen Kaffeepause schlief ich unter dem Moskitonetz, dann blaetterte ich auf dem ipad im Reisefuehrer und las nach, was wir auf unserer Reise gesehen (und was wir verpasst) haben.

Mittagessen, wieder einige Stunden unter dem Moskitonetz. Ich lese in der Anthologie "India in my Mind", die ich 2015 in Kerala gekauft habe und mir von Kochi nach Hause schicken habe lassen, um sie jetzt wieder mit nach Indien zu nehmen.

Auf dem Gelände der benachbarten Schule wird gerade in hoechster Lautstaerke fuer den morgigen Nationalfeiertag geprobt.

26/01/2019

Indischer Nationalfeiertag. Pater Chris hisst die Nationalflagge. Als sie sich öffnet, flattern Blütenblätter heraus. Auf dem Boden im Sand ein Kolam in den indischen Nationalfarben. Wer kann, stimmt in die indische Nationalhymne ein. Bonbons werden verteilt.

Sitze gerade vor dem Guesthouse in dem überdachten Oktagon. Ersehnter Schatten. In dieser Hitze lernt man, sich langsam zu bewegen.

Was ich noch in meine Reisebeschreibungen aufnehmen muss:

- die viel zu grossen Schuhe der Schulkinder in der Schule in den Bergen. Wie Boote, in denen die Fuesse schwimmen. Schnuerschuhe fuer die Jungs, Riemenschuhe fuer die Maedchen. Die Uniformen (lila Roecke / Hosen und karierte Blusen / Hemden), die an einem Tag in der Woche gegen T-Shirts und schwarze Trainingshosen ausgetauscht werden. Anpassung an westliche Kleidungssitten.

- die Zeitungslektuere: Kinofans übergiessen die Kinoplakate der aktuellen Filme mit Milch, um ihnen zum Erfolg zu verhelfen. So macht man das auch mit den Götterstatuen - bloß so ein Kinoplakat ist riesig groß, es gehen haufenweise Liter Milch dabei drauf, die doch (so der Artikel) besser den Kindern zu Gute kommen sollten. (Diese Milch-Überschüttung soll jetzt polizeilich verfolgt werden - es kommt nämlich dadurch auch verstärkt zu Milchdiebstählen)

- die geraeuschvollen Angewohnheiten unseres Taxifahrers von Ramesvaram nach Trichy (seine Hupgewohnheit ergänzend). Er ruelpste, zog den Rotz in der Nase hoch, kurbelte das Fenster herunter, spuckte geraeuschvoll aus, kurbelte das Fenster hoch, ruelpste wieder usw.


Die Mohrrueben, die wir nach dem Frühstück schaelen und hacken sollten, sahen beim ersten Anblick voellig unmoeglich aus. Krumme, gummiweiche Rueben, die sich in verschiedene Schwaenze teilten. Dazu der uebliche Riesenhaufen Zwiebeln.

Es ist Paarungssaison der Pfauen. In den frühen Morgenstunden Balzgeschrei der jungen Männchen. Ich sehe einem Pfau zu, wie der von einem Dach abhebt und dann auf einer Kokospalme landet. Der Palmenwedel biegt sich unter seinem Gewicht tief, ich erwarte, dass der große Vogel abgleitet, den Griff verliert, aber er behält das Gleichgewicht. Ein faszinierender Anblick

Muedigkeit. Der staendige Wunsch, mich hinzulegen und zu schlafen. Vergeblich suche ich nach Abkuehlung. Boujia, die Putzfrau, die hier schon arbeitete, als wir das erste Mal hier waren, und die das Gelaende wie ihre Hosentasche kennt, kommt herangeschlurft. Ihr Mann ist Schneider. Er war in den ersten Jahren oft hier, um Bestellungen entgegen zu nehmen. Aber seine Kreationen passten selten. Die einfachsten Auftraege verbaselte er. Spaeter erfuhren wir von seinen Alkoholproblemen, und jetzt haben wir ihn schon lange nicht mehr hier gesehen.

(Spaeter)

Am Morgen im Dorf - Pilgerinnen vor dem Shakti-Tempel, in gelb-rot-orange-farbigen Saris. Stehen sich in zwei Reihen gegenüber. Jede läuft dann an der Reihe entlang, bueckt sich, beruehrt die Fuesse der anderen. Unaufhörlich skandieren sie: "om shakti - para shakti". Ein weisshaariger Alter mit weissem Lunghi und weissem Hemd ruft mit penetranter Stimme Anweisungen, schubst und schiebt die Frauen hierhin, dorthin, als haette er es nicht mit Menschen zu tun, sondern mit einer Herde widerspenstiger Tiere.

Lese am Nachmittag Allen Ginsburgs Indien-Tagebuch. Er ist völlig präsent in seinen sinnlichen Erlebnissen und Wahrnehmungen. Es wird mir bewusst, dass auch mein Interesse mehr in der Wahrnehmung liegt als darin, die Wahrnehmung zu interpretieren oder zu bewerten.

Es wird allmaehlich dunkel. P hustet. Einer der Ashram-Gaeste geht in seine Zelle. Der alte Door Keeper schlurft vorbei, auf seinen Stock gestuetzt, und schaltet die Lichter auf dem Gelaende ein. Er beruehrt immer mit einer Hand sein Herz, wenn man ihn gruesst. Ich glaube, er ist stumm. Aus der Ferne Singen, Trommeln, Musik. Ich habe Yoga Nidra gemacht (Tiefenentspannung), bin wie immer dabei eingeschlafen. Die Sonne geht unter, aber kuehl wird es deshalb nicht. Die Bananenblaetter bewegen sich kaum merklich in einem kaum merklichen Wind.

In der kleinen Meditationshalle heute "Talk" von Father Doretick. Was ich mir gemerkt habe:

Drei Wege zur transzendenten Gotteserfahrung: Gebet, Meditation, Kontemplation.
Was ist Kontemplation? Stille, nichts tun.
Alles, was Gott geschaffen hat, ist gut, wenn auch nicht immer gut fuer mich. Oder ist ein Apfel zehn Tage lang gut und zehn Tage lang schlecht?
Da Jesus Mensch geworden ist, hat er auch gezeigt, dass der menschliche Koerper an sich nicht suendhaft ist.
Bequemlichkeit und Zufriedenheit sind zwei verschiedene Dinge. Der Wunsch nach Bequemlichkeit fuehrt nie zu Zufriedenheit, denn man will immer mehr davon. Zufriedenheit ist nicht von Bequemlichkeit abhaengig.
Jedes Leben besteht aus einem Auf und Ab, wie ein EKG. Wenn eine EKG-Kurve platt ist, bedeutet das nur das Eine: dass der Patient tot ist.
Sadhana (= religioese Praxis) erfordert Bestaendigkeit, taegliches Ueben. Worin die Praxis besteht, kann individuell von Person zu Person variieren.
Grundlegend ist es, die Wirklichkeit wahrzunehmen, als das was sie ist.
Achtsamkeit gegenueber dem, was ist. Dann gibt es auch keine Suende. Suende ist die Abwesenheit von Achtsamkeit.
Die Auferstehung Jesu ein Symbol fuer die voellige Befreiung, das Aufgehen in Gott. Der Weg dorthin geht ueber Versuchung und Leid, sich der Todesangst stellen, der Scham, der Erniedrigung.
Versuchung ist nichts Schlechtes, sondern etwas grundlegend Menschliches. Waeren Adam und Eva nicht in Versuchung geraten, dann waere die Bibel ein sehr kurzes Buch geworden.
Er lacht immer wieder, entzueckt ueber seine Gedanken.
Es ist auch menschlich, die Schuld auf andere abschieben zu wollen, so wie Adam und Eva es tun.
Manchmal kann er kaum weiterreden vor Lachen. Eine unbaendige Freude bricht aus ihm hervor. Die blendend weissen Zaehne in dem dunkelbraunen Gesicht. Ein schoener Mensch.
Unsere Aufgabe ist es, das Goettliche in uns zum Ausdruck zu bringen, nicht: das Menschliche.

Was uns alle vereint, ist der Atem. Und woher kommt der Atem? 

Stille.
Die Aufmerksamkeit auf den Atem richten ist grundlegend fuer alle Religionen.
Auch Leere ein Konzept, das vielen religioesen Traditionen gemeinsam ist.

(Spaeter abends)

Schreiben, ohne daran zu denken, dass jemand es lesen koennte.

Ein guter Tag mit Lesen, Schreiben, Schlafen.

Ich schlage das kleine Vivekanda-Buch auf, dass ich in Chennai gekauft habe und stosse auf den Vortrag "Why God?" - exakt die Frage, die ich mir in den letzten zwei Tagen gestellt habe. 

Seine Antwort: "Because it is the best word for our purpose; you cannot find a better word than that, because all the hopes, aspirations and happiness of humanity have been centred in that word. (...) The word God has been used from time immemorial, and the idea of this cosmic intelligence, and all that is great and holy, is associated with it. (...) Use the old word,only use it in the true spirit, cleanse it of superstition, and realize fully what this great ancient word means."

Froh heute Abend, weil wir hoffnungsvolle Nachrichten von Tsamikos bekommen haben, die seit zwei Tagen in der Tierklinik liegt. Die erste Angst hat sich jetzt in eine leise Zuversicht verwandelt.

Der Ventilator verteilt die warme Luft im Zimmer, aber die Haut wird trotzdem gekuehlt. Die ganze Nacht laeuft der Ventilator. Ueber die Gegenwart schreiben.

Und taeglich meditieren.

Schweisstropfen auf der Stirn. Der Plastikstuhl. Ich fange an, mir vorzustellen, wie es sein wird, wieder heimzukommen.

27/01/2019

Morgenspaziergang ins Dorf, erst den Sandweg entlang, dann ueber die neue Strasse, auf der Lastwagen und Motorraeder entlangbrausen. Es begegnen uns Maenner auf dem Weg zu ihrer Morgenwaesche im Fluss, ein Handtuch um den Kopf geschlungen, ein Stueck Seife in der Hand. Zu Fuß, auf Fahrraedern, auf Motorraedern.

(Waehrend ich das schreibe, ist der Sonntags-Gottesdienst im Ashram im Gange. Maennerstimmen singen zum Gerassel der Percussion-Instrumente. Ich habe stattdessen meditiert und Koerperuebungen gemacht, schaue jetzt den Voegeln zu, wie sie die Cashewkerne aufpicken, die ich in das Rosenbeeet vor dem Guesthouse geworfen habe.)



Das Dorf ist um viertel vor sechs schon wach. Die Frauen kehren mit ihren Palmenbesen vor den Haeusern, sprenkeln dann Wasser auf den festgestampften Lehm, gehen in die Hocke, um ein Kolam auf den Boden zu streuen, mit Reismehl, das sie zwischen ihren Fingern hervorrieseln lassen. (Eine Technik, die nicht einfach ist. Ps erster Versuch, ein Kolam zu machen, endete in einem wackeligen Desaster und dem amüsierten Lachen der Inderin, die es ihr beibringen wollte.)

Vor dem Tea Stall sitzen Maenner und trinken Tee oder Kaffee, andere kommen mit Fahrraedern oder Motorraedern an,um sich ihren "parcel tea in Metallbehaeltern abzuholen. Die Maenner machen Platz fuer mich und P auf einem der Fensterabsaetze. Kumar bereitet Pori-Teig fuer den Tag vor. Seine Frau uebernimmt das Teekochen. Tee und Milch und Zucker werden in einem langen Strahl gemischt. Tag fuer Tag die gleichen Handbewegungen.

Werfe den Voegeln wieder Casehwnuesse zu - sie haben sich jetzt schon daran gewoehnt, dass sie hier etwas bekommen. Schoene graubraune Voegel, sie picken die Nuesse auf, und so schnell, wie sie angeflogen kommen, fliegen sie dann auch wieder weg.

Besuch im Frauen-Ashram auf der anderen Seite des Wegs: Die Stille, Einfachheit. Entspannte Stimmung. Rote Steinhaeuschen unter Palmen. Blick auf den Fluss. Eine Nonne ("Mercy") fuehrt einen Hund an der Leine herum. Mercy liebt Tiere, erklaert mir Rahmana, eine Deutsche, die mich auf dem Gelände herumführt. Es gibt auch einige kleine Kätzchen. In der offenen Kueche hocken die Koechinnen auf dem Boden. Russgeschwaerzte Kochtoepfe auf dem Feuerherd. Ein Arbeiter kuemmert sich um die Kuehe, die in den rot getuenchten Staellen stehen und Bananenblaetter aus dem Futtertrog mampfen.

Die junge Vorsteherin Titi sitzt in grauer Nonnentracht auf den Stufen der Kapelle, die Beine ausgestreckt, und unterhaelt sich mit einer der deutschen Besucherinnen. Es sieht entspannt aus. Ich stelle mich vor. Sie sagt, sie habe bis vor kurzem Typhus gehabt, jetzt ginge es ihr schon wieder viel besser. Ein offenes Gesicht. "Du kommst mir bekannt vor." Spaeter erzaehlt Rahmana mir, dass Titi zuvor im Orden von Mutter Teresa gewesen sei. Sie sei dann in den Ashram gekommen, weil sie auf der Suche nach einem Leben im Schweigen gewesen sei. Die schwere Krankheit und der Tod der alten Amma habe sie ploetzlich in ihre neue Rolle versetzt. Sie habe sie als "Gottes Willen" angenommen, habe aber vor, sich in einer unbestimmten Zukunft wieder ins Schweigen zurueckzuziehen.

Ich frage nach Shirley, einer jungen Nonne, die ich bei meinen frueheren Besuchen oft gesehen habe. Sie ist nicht mehr da, erzaehlt Rahmana. Sie habe den Orden verlassen, weil sie nach acht Jahren nicht mehr ignorieren konnte, dass sie frei sein wollte. Jetzt lebt sie in Neuseeland. Meine zwei Extreme, denke ich. Der Wunsch nach Rueckzug und Eremitentum, der Wunsch nach Freiheit, Ungebundensein.

Der kurze Besuch in dem Frauen-Ashram hat mich mehr bewegt als vieles, was in den letzten Wochen geschehen ist.

Hier in der Stille, in der Ereignislosigkeit, entfalten sich andere Qualitaeten, kann ich mich anders oeffnen. Ich muss mich nicht mehr schuetzen, wehren, gegen aufdringliche Verkaeufer, gegen Laerm, Verkehr, Menschenmengen, Schmutz, gegen die Rolle der "Weissen", die man mir aufzwingt. Der Ashram kommt meinem Beduerfnis nach Einfachheit entgegen.

28/01/2019

(Morgens)

Namajapa um 5:30, dann Spaziergang ins Dorf, Tee bei Kumar und seiner Frau. Das selbe Ritual wie jeden Morgen. Die Frauen fegen vor den Haeuser, im Licht der baumelnden Gluehlampen, holen Wasser in den bauchigen Kannen, die sie dann in den Arm nehmen wie ein Kleinkind, das Gewicht auf die Huefte gestuetzt. Die Maenner kommen mit dem Fahrrad und einer Zigarette im Mund, um Parcel Tea oder Coffee zu kaufen.

Trotz des Geplaerres von dem kleinen Tempel und dem auf volle Lautstaerke gedrehten Radio in Kumars Tea Stand gibt es ein Gefuehl von Stille. Maenner mit Handtuechern um die Schultern gegen die Morgenkuehle, oder um den Kopf geknotet. Die Frauen gehen barfuss vorbei, die Wasserbehaelter gegen den Körper gedrückt. Ein Mann mit einer riesigen, auf den Fahrrad-Gepaecktraeger gezurrten Milchkanne schwingt ein Bein ueber die Stange seines Fahrrads.

Kumar bereitet wie jeden Tag das Essen vor, hackt Zwiebeln, Tomaten, ruehrt in grossen Aluminiumtoepfen. Die Unordnung und der Schmutz um ihn herum scheint er nicht wahrzunehmen, sie stoert ihn jedenfalls nicht - sein Ordnungsempfinden liegt woanders, in den taeglich mit Exaktheit wiederholten Bewegungen, dem fruehen Aufstehen, dem vorhersehbaren Tagesrhythmus. Kumars Frau haengt den Teestrump in den Metallbecher, laesst aus dem Wasserhahn des Teeofens Wasser darueber, dann schoepft sie heisse Milch aus dem Milchbehaelter.

Der Hund mit dem abgefahrenen Schwanz humpelt wieder vorbei - vielleicht humpelt er sogar ein wenig weniger, ist die Wunde wieder ein wenig mehr verheilt.

Langsam wird es heller - der Zauber loest sich auf.

29/01/2019

Die Mittagsglocke laeutet. Ich bin wieder unter einem Schleier von Muedigkeit, Ergebnis einer Nacht, in der ich nur wenig schlafen konnte. Legte das Buch "India in Mind" gestern beiseite, entnervt von der Perspektive der westlichen Besucher, die Indien als das "Unbekannte" erleben und ihr Nichtverstehen in einen Ueberlegenheitsblick umwandeln.

Gemuese geschaelt und gehackt, gefangen in unseren Lebens-Erzaehlungen, dem Bild, das wir von uns haben und versuchen, an die anderen zu vermitteln. Ein Bild schaffen von uns selber, das uns schmeichelt und das sich dann bei denen, mit denen wir umgehen, verselbstaendigt. Eine Rahmen und einen Namen erfinden.

Waesche gewaschen, in der ans Zimmer angebauten Nasszelle, die am Tag zu einem ueberdimensionalen Heizkoerper wird. Das deutsche Paar (er Pastor, sie "seine Frau"), die einige Tage hier gewesen sind, lassen am Tea Circle Kuerbisknaecke mit Emmentaler zurueck. P und ich koennen nicht aufhoeren zu essen. Wir knabbern und kauen, eine Knaeckebrotscheibe nach der anderen. Je mehr ich davon esse, desto hungriger werde ich.

Die alte Frau, die jeden Morgen die dicken, harten Platanenblaetter auf dem Platz zusammenfegt und dann in weisse Saecke fuellt. Und dann am Nachmittag das Gleiche noch einmal. Tag für Tag.

Wir fangen eine Kakerlake in einem Teebecher, werfen sie in den Sand vor dem Guest House.

In der Frueh Treffen mit Panir und zwei seiner Schueler am Fluss. Sie trainieren Silambam eine tamilische Martial Art mit Stoecken. Es beginnt mit grundlegenden Schritten, Drehungen, dann Spruengen. Aufwaermuebungen mit den langen Bambusstoecken. Schliesslich komplexere Bewegungsablaeufe, in zunehmender Geschwindigkeit. Sie bitten mich, ihnen etwas Aikido zu zeigen. Ich fange mit einer Stock-Kata an. Hast du nicht gesagt, dass Aikido auf "Harmonie" beruht? Ja, stimmt, aber der Stock ist nun mal eine Waffe. Majindra lacht. Sie verstehen die Prinzipien des Aikido gut. "Accept the force. Merge with the force." Wir verabschieden uns, vereinbaren, uns fuer morgen zur selben Zeit noch einmal.

(Abends)

Schlaefriger Tag. Abends in meiner Zelle. In der Teepause am Nachmittag Gespraech mit einem der Priester aus Kerala. Er studiert Philosophie in Mumbai, schreibt eine Arbeit darueber, wie es zu Gewalt zwischen Anhaengern verschiedener Religionen kommt. Im Moment macht er "Field Research", Gespraeche, Interviews. Meine Angst, eine Gespraechspartnerin zweiter Wahl zu sein, nicht interessant, nicht intelligent genug. Ist er erleichtert, als er endlich von mir wegkommt?

Das "Nicht-Erwuenscht-Sein": eine Grundangst in meinem Leben.

Machte eine Skizze vom Garten, fuehlte mich aber ueberwaeltigt von der Vielfalt der Vegetation und gab mittendrin auf. Ging stattdessen mit dem Ipad herum und fotografierte.

Abendspaziergang zum Fluss. Wir treffen Panir noch einmal. Er trainiert seit 1998 Silambam. Er wuerde gerne auch Aikido trainieren, aber hier gibt es keinen Meister. Ich sage, die Kleider waeren eh viel zu warm fuer das Klima hier.

P und ich reden uebers Heimkommmen. Ist es nicht seltsam, dass man sich immer von da wegsehnt, wo man gerade ist? Wir essen am Nachmittag Papaya, ich lese weiter in dem Buch "The Ghosts of Vasu Master" von Githa Hariharan. 

Hoere spaeter in dem kleinen Meditationspavillon zu, wie Pater Dorotick auf italienisch von der Geschichte des Ashrams erzaehlt. Ich liebe es, ihm beim Reden zuzuhören und zuzuschauen. Das kichernde Lachen. Er kann manchmal vor Lachen gar nicht weiterreden. 


Muede. Werde jetzt meine Zaehne putzen und dann unter das Moskitonetz kriechen.

30/01/2019

Die Heimkunft rueckt naeher. Ich zaehle meine sauberen Unterhosen. Fange an zu packen. Verstaue die neu gekaufte Unterwaesche in den Stahlcontainern, die ich gekauft habe. Wir fahren zu viert mit der Riksha nach Kulitthalai: Die Belgierin Neige, John, P und ich. Geld abheben, Obst kaufen, Huehnerfleisch fuer die Kaetzchen, eine Tiffinbox fuer L, die zuhause Lakshmi und Shanti huetet. Neige verabschiedet sich und macht sich auf die Suche nach einem neuen Koffer, da ihrer kaputt gegangen ist. Im Ashram teilen wir das Huehnerfleisch zwischen den Katzen auf. Jede zieht sich mit ihrem Fleischstueck in eine Ecke zurueck.

Die italienische Gruppe hilft beim Gemuesehacken. Heute Gelberueben, Rote Bete, Zwiebeln, eine Zucchiniart. Sie reden hauptsaechlich ueber Essen. Fermentieren scheint auch in Italien in Mode zu sein. Sauerteigbrot, Kombucha, etc. Sie hacken und reden. Mein Italienisch ist ziemlich angerostet, aber ich kann mich hin und wieder mit einfachen Saetzen am Gespraech beteiligen.

(Spaeter)

Unsere neue, energische Nachbarin Mishka, kommt aus Polen und lebt in Australien. Sie hat gleich nach ihrer Ankunft Marienbilder an den Saeulen des Oktagons aufgehaengt. Irgendwo in den Sechzigern ist sie, aber schlank wie ein Teenager. Ein grauer Zopf, eine riesige Brille, Schlapphut. Auf der Brüstung des Oktagons stapeln sich die Bücher, die sie heute Vormittag aus der Bibliothek geholt hat.

Zeit, ins Bett zu gehen. Habe mich mit kaltem Wasser uebergossen. Der Ventilator dreht sich auf Stufe 3. Heute habe ich nur eine einzige Bananenpflanze gezeichnet, mich beschraenkt, um nicht an der selbst gestellten Aufgabe zu scheitern. In Thanirpalli am Nachmittag in dem staubigsten Laden der Welt zwei Paeckchen Kurkuma und Bananen gekauft. In einem anderen Strassenladen vier Paeckchen indisches Knabberzeug. Wir machten uns gleich darueber her, als wir nach Hause kamen. Ich hatte einen Heisshunger.

Pater Chris: "2021 sterbe ich, bin jetzt schon neben den Friedhof gezogen. Ich bin bereit." 
Was war die beste Zeit in seinem Leben? "Als ich in den USA wohnte." 
Er sagt, er liebt Geschwindigkeit, faehrt mit seinem Motorroller gern so schnell, wie es nur geht. Einmal wurde er in den USA von der Polizei angehalten, weil er mit seinem Auto zu schnell gefahren war. Er rettete sich mit einer Luege, dass er auf dem Weg zu einem Sterbenden sei, und der Polizist liess ihn weiterfahren. 
Er kann sich an alle Frauen erinnern, die im Ashram gewesen sind, behauptet er. Er spielt beleidigt, weil Mishka ihn nach dreissig Jahren nicht erkannt hat. 
Er erzaehlt auch, dass der Ashram bei den Christen in Indien keinen guten Stand hat ("fuer die sind wir Hindus"), aber unter dem Schutz von Rom steht. 
Ich verstehe nicht alles, was er sagt, haenge aber trotzdem an seinen Lippen. Es redet frei von der Leber weg; es scheint ihm ganz egal zu sein, was andere von ihm denken. 
Vor seiner Huette auf einem Tisch ein riesiger Stapel mit gelesenen Exemplaren der "New York Times".

31/01/2019

(Abends)

Gespraech mit Father Paul, der seit 29 Jahren im Ashram lebt. Ueber Fasten (wovon er nichts haelt), ueber seine 85jaehrige Mutter, die trotz ihres hohen Alters immer noch fastet (gegen den Willen seiner Schwester, bei der sie inzwischen wohnt), ueber seinen Widerwillen, den Ashram zu verlassen, ueber seine Abneigung gegen grosse Menschenmenngen, ueber seine Ansicht zu Wiedergeburt ("wir werden staendig wiedergeboren"), ueber Carl Jung und die Theorie des kollektiven Unbewussten, ueber die Sprachen Suedindiens, ueber Literatur, die in Malayalam uebersetzt worden ist, u.a. Guenter Grass, Umberto Eco. Ueber die Gefahr, die von den Hindu-Nationalisten ausgeht, ueber seine Vorliebe fuer "Fakten" gegenueber Fiktion. Er erzählt auch, dass er seine alten Bibeln hin und wieder verbrennt, weil die alten Anmerkungen und Unterstreichungen nichts mehr mit ihm zu tun haben. 

Er verabschiedet sich und geht mit energischen Schritten zum Speiseraum, um seinen Teebecher abzuspülen. 

Es ist Zeit, zu packen.


Mittwoch, 30. Januar 2019

Sechster Tag im Ashram

Sechster Tag im Ashram

In den letzten Tagen habe ich den Blog links liegen lassen und nur Tagebuch geschrieben. Jetzt versuche ich mich an einer Zusammenfassung.

- Es war heiß, wahnsinnig heiß, jedenfalls in den Stunden zwischen 10 und 16 Uhr. Wenn es am späten Nachmittag dann abkühlte, kamen die Mücken und man hatte den Wunsch, sich in den Schutz eines geschlossenen Raumes zurückzuziehen. 

- In den ersten Tagen war ich außerdem wahnsinnig müde und schlief jeden Vormittag und jeden Nachmittag unter meinem Mückennetz. Ein Schlaf, aus dem ich dann völlig verschwitzt und verschwollen aufwachte. Die Wasserleitungen liegen in der Sonne, so dass man eine kühle Dusche am Nachmittag kaum möglich war - eher bestand die Gefahr, dass man sich verbrannte.

- Ich habe wieder mal erfahren, dass man sich an alles anpasst und dass man Strategien entwickelt. Ich wandelte meinen Flaschenbehälter in einen kleinen Kühlschrank um,, indem ich ihn ständig neu befeuchtete. Ich füllte den Wassereimer um die Mittagszeit mit Wasser, das dann zumindest auf Raumtemperatur (mindestens 40 Grad in der mit einem Blechdach bedeckten Badezelle) herunterkühlte. 

- Wir gingen an den Morgen ins Dorf, solange es noch kühl war, und nach der Teepause am Nachmittag setzte ich mich irgendwohin und machte eine Skizze von der Vegetation hier. Bananenpflanzen, Kokosnusspalmen, Pfefferranken, Hibiskus, andere, unbekannte Bäume. Das erlebte ich (trotz meiner geringen Fertigkeit auf diesem Gebiet) als besonders befriedigend. Dann machte ich oft Körperübungen in meinem Zimmer.

- Die Gäste kamen und gingen, und einige blieben, so wie wir. An einem Tag machte ich einen Besuch in dem benachbarten Frauenashram, in dem nur drei Nonnen leben, in beinahe ständigem Schweigen; dagegen wirkte unser Ashram beinahe geschäftig und geschwätzig. Heute habe ich Gemüse mit einer Gruppe quirliger Italiener gehackt, die sich fast pausenlos über italienisches Essen unterhielten (vielleicht liegt es daran, dass ich mich heute extrem hungrig fühle).

- Immer wieder kam es zu interessanten Gesprächen mit Gästen, z.B. einem jungen Priester aus Kerala, der momentan in Mumbai Philosophie studiert und eine Arbeit zum dem Thema schreibt, wie es kommt, dass Religionsanhänger zu Gewalt greifen.

- In dem Buch „India in Mind“ ließ ich mich von der westlichen Sichtweise auf Indien zuerst unterhalten und dann ein wenig nerven, so dass ich das Buch nach der Hälfte weglegte und ein anderes Buch in die Hand nahm, die etwas deprimierte Geschichte eines pensionierten Dorflehrers, der von Bildern und Erzählungen seiner Vergangenheit heimgesucht wird, einen stummen Jungen mit Hilfe von Fabeln zu heilen versucht und außerdem medizinische Hilfe für seinen ständig im Aufruhr befindlichen Magen sucht - man ahnt, dass alles irgendwie zusammenhängt. Ein wunderschön geschriebenes Buch von Githa Hariharan, aber nicht gerade ein Seitenwender - oft bin ich beim Lesen eingenickt. 

- Besuch in dem größeren Dorf Kulitthalai, ein wenig abschließendes Shopping (Unterwäsche, Tiffinboxen, ein Kokosseil, um mein Gepäck verschnüren zu können). Das Gekicher der Verkäuferinnen im Siva Klamottenladen, der geschäftstüchtige Tiffinbox-Verkäufer, dessen Tochter in Deutschland lebt, das Lemon Soda mit Salz, die Dhoti-Verkäufer, die beim Anblick des Kokosseils fragen: „Exact purpose, Mam?“

- Immer wieder Berge von Zwiebeln hacken, nach dem Frühstück, und Besuche am Fluss, im weichen Abendlicht.

- An drei Morgen traf ich Panir und zwei seiner Schüler am Fluss, wo sie jeden Morgen den tamilischen Stockkampf Silambam trainierten. Panir brachte mir einige Bewegungen bei, ich zeigte ihm einige Aikidotechniken.

Freitag, 25. Januar 2019

Nachtrag und Jetztzeit

Zurück im Ashram, nun schon einen ganzen Tag. P und ich sind gestern hier angekommen, ich habe „mein“ Zimmer bezogen, wir sind in den Ashram-Alltag hineingeglitten. Man kennt uns hier, und wir kennen uns aus. Nach der anstrengenden Reise möchte ich mich hier vor allem erholen. Wenig reden, lesen, schreiben, zeichnen, Yoga machen. 

Von einem in Frankreich lebenden Schotten namens John habe ich ein Buch mit dem Titel „Move without Pain“ geliehen und eine Übungsreihe daraus gleich ausprobiert - gegen meine Hüft- und Schulterschmerzen.

Eine Besucherin erzählte in der Teepause über ihre Begegnungen mit Bede Griffiths in den 80er und 90er Jahren. „Er war ein Heiliger“, sagt sie und unterlegt ihre Behauptung mit einigen Beispielen. 

Endlich kann ich wieder entspannte Gespräche führen, Small Talk von der Art „Wo kommst du her, wo fährst du hin?“. Endlich spüre ich keine Verantwortung mehr dafür, dass sich die Leute in Indien wohlfühlen. Die finanzielle Verantwortung der letzten Wochen hat mich mehr belastet als mir bewusst gewesen ist. Hier kann ich endlich meinen Geldbeutel in eine Ecke legen und brauche erstmal nicht mehr an ihn zu denken (bis wir von hier wieder wegfahren, in einer guten Woche).

In den Karalyan Hills haben wir den Schulkindern (im Alter von 3 bis 10) bei ihrem morgendlichen Drill zugesehen und dann alle Klassen besucht. Wir haben eine mehrstündige Wanderung gemacht, mit einem lokale Führer, der uns durch mehrere Tribal Villages führte. Leider haben wir dabei nicht so viel erfahren, da das Englisch unseres Führers (und vielleicht auch sein Interesse) nicht ausreichte. 

Wir haben die Frauen und Männer am Morgen auf dem Weg zur Arbeit gesehen, die Frauen eine geflochtete Plastiktasche in der Hand oder auf dem Kopf, in der die Tiffins für das Mittagessen steckten. Auf den Feldern wurde gearbeitet, in den ausgestorbenen Dörfern lagen müde Hunde in der Sonne.  Ein Mann und eine Frau wendeten Brennholz von einem Stapel auf den anderen. Kleine Ziegen tollten herum. 

Wir machten bei einer Familie Rast und bekamen heißes Wasser für die Teebeutel, die wir mitgebracht hatten. Offensichtlich hatte man das Wasser schon so rechtzeitig gekocht, dass es bei unserer Ankunft nur noch lauwarm war. Typisch für Indien war vielleicht, dass niemand das Wasser noch einmal auf die Feuerstelle setzte. 

Unser Führer arbeitet eigentlich als Field Worker für die Schule. Er kommt selbst aus der Gegend, ist Hindu, hat aber eine christliche Schule besucht und drei Jahre Geschichte studiert. Wenn ich ihn richtig verstanden habe, dann besteht seine Aufgabe darin, Kinder für die Schule zu rekrutieren. Von den Kindern, die wir auf unserer Wanderung trafen, wusste er, dass sie nicht in die Schule gingen, weil sie „keine Lust hatten“, es schien ihm aber weiter nichts auszumachen, er konstatierte es lediglich.

Mir ging auf unserer Wanderung gehörig die Luft aus, und später sah ich ein, dass ich mir einen Magenvirus eingefangen hatte. Die letzten Kilometer schleppte ich mich nur noch mit reiner Willenskraft voran - meine Beine fühlten sich an wie eine Mischung aus überkochten Spaghetti und Betonklötzen. Das klingt vielleicht widersprüchlich, war aber eine unwiderlegbare Tatsache. 

Am Nachmittag erfüllte ich aber doch mein Versprechen, in die Schule zu kommen und den Lehrern einige der Spiele zu erklären, die im Raum für „Physical Education“ vor sich hinstaubten. Zusammen mit einer anderen Frau in der Gruppe machten wir kurzen Prozess, indem wir alle Regale ausleerten und dann  vor den erstaunten Augen einer Lehrerin und einer Putzfrau erst mal um Wasser und Lappen baten. 

In einem Land, in dem die Rollen und Hierarchien so festgeschrieben sind und mancher von uns „reichen“ Weißen sicher die Vorstellung hat, dass körperliche Arbeit in unserem Leben nicht vorkommt, war unsere Putzaktion auch eine Art Demonstration. „Hallo, seht mal her, bei uns macht jeder alles! Wir sind uns nicht zu fein zum Putzen!“

Danach ordneten wir höchst effektiv die Spiele je nach Kategorie und Schwierigkeitsgrad, schmissen alles, was kaputt oder einfach nur unbrauchbar war, auf einen Haufen, der dann auch wirklich von der Putzfrau weggebracht wurde (auf einen Wink des Rektors hin), und setzten uns schließlich mit den Lehrerinnen im Kreis auf den Boden, um verschiedene Spiele zu demonstrieren und zu zeigen, welche Möglichkeiten man mit ihnen hatte, je nach Altersgruppe.

Trotz meiner Beton-Spaghetti-Beine demonstrierte ich außerdem, wie Gummitwist geht, zur großen Erheiterung der in Sari gekleideten Lehrerinnen, die so etwas noch nie gesehen hatten, und dann zeigte ich ihnen, wie man die Bälle aufpumpt, die im Regal schlapp und unbrauchbar herumgelegen hatten.

Für den Abend hatte man sechs Frauen aus den Dörfern zu uns bestellt, damit sie vorführten, wie dort seit sicher Urzeiten um das Feuer herum getanzt und gesungen wird. Das klang zwar interessant, aber die Vorstellung war ziemlich ermüdend und eintönig, da auch hier jegliche Erklärung oder Einführung fehlte. Als ich den Rektor, der während der Woche in einem Seitenbau wohnt und nur am Wochenende zu seiner Familie fährt, fragte, wovon die Lieder denn handelten, sagte er mit einem entschuldigenden Lächeln, dass er sie selbst nicht verstehe. 
Singen sie in einer anderen Sprache?, fragte ich.
Nein, das nicht, sagte er. 
Das wiederum ließ mich ratlos zurück, und sein Englisch reichte nicht aus, um dieses Rätsel auflösen zu können. Unser Guide war ebenfalls nicht in der Lage, zwischen uns und den Frauen zu vermitteln - er war nämlich völig von seinem Handy absorbiert.

An unserem letzten gemeinsamen Abend machten wir dann auf dem Dach des Gästehauses der Schule, auf dem wir an den Morgen und Abenden auch immer getanzt hatten, ein kleines Ritual. Wir pusteten indische Erde in alle Himmelsrichtungen und warfen Blumen hinterher. Dazu dachten wir uns unseren Teil.

Übrigens haben wir es in den Bergen noch geschafft, uns mit je einem halben Pfund Schwarzpfeffer und einigen Vanilleschoten eines benachbarten Ökobauern versorgen zu lassen, dessen Gelände wir an unserem ersten Nachmittag besichtigten. In der Nacht überlegte ich dann in meinen wachen Stunden, was ich wohl mit einer derartigen Menge Pfeffer anfangen soll -  

Die Glocke läutet. Es ist Stille im Ashram angesagt. Die Sonne geht unter, die Mücken kommen angeschwirrt. Auch heute habe ich wieder eine Ladung Wäsche gewaschen (und eine weiter Ladung an den Dubi Walla weitergegeben). Ich habe einige Stunden unter meinem Moskitonetz verbracht und angefangen, ein neues Buch zu lesen: „India in My Mind“, eine Anthologie von Mihra Pankaj, die mit amüsanten Indienbeschreibungen von James (?) Ackerley und Paul Bowles schon mal gut anfängt. Zeit für „Odomos“ - das indische Mückenmittel...


Montag, 21. Januar 2019

Kino auf Tamil

Unser Hotel in Trichy hatte nicht nur einen Pool, in dem man hin und wieder einige gemächliche Bahnen schwimmen konnte, sondern ein paar Häuserblöcke weiter gab es auch ein Kino, in dem acht Filmvorstellungen täglich gezeigt wurdren. So ein Tamil-Film dauert drei Stunden lang, und auch wenn man die Sprache nicht versteht, ist die Handlung so überdeutlich, dass man kein Problem hat, ihr zu folgen. Außerdem kommen so viele Action-Szenen vor, dass man über weite Strecken ganz ohne Sprache auskommt. 

Also saßen wir am Sonntag um 12:00 Mittags in einem vollbesetzten Kino, erwartungsvoll und mit einer Tüte Samosas sowie mit Ohrenstöpseln ausgestattet, und lehnten uns zurück, um uns der geballten Ladung an Drama, Komik, Action, Musik, Love Interest und Tanz zu überlassen. Das ganze Kino tobte, als der Held (und später die Heldin) zum ersten Mal auf dem Bildschirm auftauchte, und immer wieder im Lauf der Handlung gab es Spannungsmomente, in denen man seinen Gefühlen mit Johlen und Jubeln seinen freien Lauf ließ. Nach einer Weile fingen wir an, mitzujohlen, ergriffen von der Dramatik der Handlung. Der stete Strom der Bösewichte, die hinter einer Ecke auftauchten, mit Macheten, Stangen, Messern bewaffnet, schien manchmal gar nicht abzureißen, und wenn man glaubte, endlich aufatmen zu können, ging es wieder von vorne los. 

In der gut getimten Pause konnte man u.a. dann Popcorn (mit Chili) kaufen oder Donuts mit Schokofüllung, und der Gedanke, den ich Anfangs gehabt hatte, dass ich ja in der Pause gehen könnte, war da wie weggeblasen. Ich MUSSTE sehen, wie es weiter ging. Als die Handlung von Tamil Nadu nach Mumbai wechselte, kamen öfter englische Ausdrücke und Wörter vor, so dass es uns leichter fiel, der Handlung zu folgen, und in den Schluss-Szenen saßen wir auf unseren Kinositzen und weinten hemmungslos. Als das Licht anging, sah man viele Zuschauer, die sich die Tränen mit ihrer Donut-Serviette aus den Augen wischte. 

Ich glaube nicht, dass ich etwas kaputtmache, indem ich verrate, dass der Film gut ausging. Der Held und die Heldin fanden wieder zueinander, der Vater konnte endlich seine Tochter in die Arme schließen, der Bösewicht war bekehrt und voller Reue. Der Film enthielt eine Reihe wichtiger Botschaften - was typisch ist für den indischen Film. Es gab eine starke Frau, die beruflich erfolgreich war, es gab einen Haudegen mit dem Herz auf dem rechten Fleck, man konnte lernen, dass es nicht gut ist, wenn man seine Kimder mit übertriebenem Ehrgeiz antreibt,  dass man manchmal verzeihen muss und dass man als Hindu mit einem Muslim befreundet sein kann. 

Als wir den Kinosaal über einen Seiteneingang verließen, standen wir vor einem riesigen Berg von Einwegsverpackungen, Bechern und Servietten, wahrscheinlich das Resultat dieses Kinotages. 

Während ich das schreibe, ist schon wieder viel passiert, und ich sitze in Velimalai in den Karalyan Hills, im Guesthouse einer Schule für Tribal Children. Wir sind heute morgen von der Schulleitung und den Kindern (im Alter von 3 bis 10 Jahren) feierlich begrüßt worden und haben die Schulklassen besuchen dürfen. Wegen der Höhe ist es angenehm kühl, und diese Nacht war die beste Nacht, seit ich in Indien bin. Nur die ungewohnte Stille brachte anfänglich meine Ohren zum Dröhnen. Am Morgen sahen wir die Sonne über den diesigen Bergen  höher steigen und freuten uns, hier zu sein. 

Sonntag, 20. Januar 2019

Ohne Sicherheitsgurt durch Tamil Nadu

Gestern habe ich wieder etwas Neues gelernt: Es gibt auf den Straßen Indiens (oder sollte ich sagen, in Tamil Nadu?) keinen Unterschied zwischen Abblendlicht und Fernlicht. Genauer gesagt: es gibt NUR Fernlicht, jedenfalls ist das die einzige Variante, die uns auf unserer fünfstündigen Taxifahrt von Madurai nach Trichy gestern begegnet ist, nachdem die Dunkelheit sich über das Land gesenkt hatte. 

Unser Taxifahrer kam nie auf die Idee, dass er sein Licht abblenden könnte, er hupte aber alle an, die ihm entgegen kamen. Ob er vielleicht glaubte, dass man ihn trotz Fernlicht nicht sehen konnte? Oder war er genervt darüber, dass das Fernlicht der anderen Autos ihn blendete? Oder wollte er nur auf Nummer sicher gehen - es konnte ja sein, dass hinter dem Steuer irgendeines Autos ein Blinder saß? Wir, die wir mit zunehmenden Kopfschmerzen in seinem Auto saßen, waren jedenfalls nicht blind, vielleicht aber auf dem Weg dorthin. Ich war mir sicher, dass ich im Schlaf von dem grellen Licht verfolgt werden würde, das in meine Augen blendete. Ich wusste auch nicht, ob ich unseren Fahrer bewundern sollte, weil er unter solchen Umständen überhaupt fahren konnte, oder ob ich ihn hassen sollte, weil er außer der Sache mit dem Fernlicht während der ganzen Fahrt den Finger nur selten von der Hupe nahm. Egal ob es eine Kuh, eine Ziege, ein Fahrradfahrer oder eine Riksha war: es wurde gehupt. Übrigens war ich nicht ganz wahrheitsgetreu, als ich schrieb, es gäbe NUR Fernlicht. Es gibt nämlich noch eine andere Variante: KEIN Licht. Diese Variante tritt häufig bei Mopeds und Motorrädern auf, die einem auch gerne mal auf der falschen Straßenseite entgegenkommen. Kein Grund, sie anzuhupen, finde ich, denn sie sind ja sowieso die Schwächeren. 

Unser Chauffeur konnte, wie bereits früher berichtet, kein Englisch, außerdem kannte er sich in Trichy schlechter aus als ich, was dann natürlich ein Problem war, da wir uns eben nicht verständigen konnten und offensichtlich auch nicht die gleiche Körpersprache hatten. Schließlich, nach mehrmaligen Stops, an einem Tempel, einem Teestand und bei zwei Rikshafahrern, waren wir dann doch am Hotel angekommen. Halb tat uns der Fahrer leid, weil er jetzt wieder die ganze Strecke zurückfahren müsste, halb waren wir heilfroh, ihn endlich loszusein, und aus schlechtem Gewissen sagten wir ihm noch, dass uns sein Musikgeschmack gefallen hatte. Das brachte ihn dann sogar zum Lächeln. Es kommt nicht oft vor, dass ein Inder schwer zum Lächeln zu bringen ist, aber unser Fahrer war ein hartnäckiger Fall. Als wir einmal um eine Toilettenpause baten, hielt er an einem von kargen Büschen bewachsenen Stück Land an und deutete in die Pampa. Meine Mitreisenden stapften mit einer Decke bewaffnet hinaus, aus der sie eine provisorische Toilette „aufstellten“ (zwei hielten die Decke hoch, eine hockte sich hin), aber selbst dieser Einfallsreichtum kam bei ihm nicht sichtbar an. 

Obwohl der Preis verhandelt war und er noch zehn Prozent drauf bekam, war er dann natürlich nicht zufrieden mit der Bezahlung - aber das ist ein Phänomen, das man nach drei Wochen Indien schon zur Genüge kennt, so dass man es sich nicht mehr so sehr zu Herzen nimmt. 



Samstag, 19. Januar 2019

Das Wasser von Ramesvaram

Wir sind inzwischen in Trichy (Tiruchirapalli) angekommen, und ich sitze (wie gehabt) auf dem Hotelbett, einen ayurvedischen Hustentee schlürfend. Es ist früher Morgen. Immer noch bin ich an den Morgen mit Husten beschäftigt, der aber dann im Lauf des Vormittags abklingt. Totaler Szenenwechsel. Von unserem kleinen, wenn auch feinen Hotel in der Tempelstadt Ramesvaram (direkt an der am meist befahrenen Dorfstraße gelegen) in das palastartige Hotel Femina in Trichy. Das Hotelzimmer ist so groß wie ein Ballsaal. Und vom Fenster (das die gesamte Zimmerbreite einnimmt) aus hat man eine Aussicht - Bäume und Häuser und Himmel - und nicht nur einen dreckigen Luftschacht oder einen Hotelflur. Man blickt direkt herunter auf den Hotelpool, an dem ich vorhabe, ein wenig Zeit zu verbringen. Außerdem will ich ins ins Kino gehen und einen dreistündigen Film ansehen.

Für gestern Vormittag war also Karmabad im Tempel von Ramesvaram angesagt. Wir stellten uns in die „Badeschlange“, zahlten 25 Rupies Eintritt (35 Cent) und ließen uns dann in der Menge der Badenden mittreiben. Fast alle Badenden waren Inder. Erst nach einer Weile entdeckten wir eine Gruppe von jungen Leuten, die aus Russland kamen. Auf dem Beckenrand von jedem der 22 Brunnen standen zwei weißgekleidete Wasserholer, ließen einen kleinen Metalleimer an einer Schnur hinab ins Wasser fallen und zogen ihn dann hoch, um ihn den Wartenden über den Kopf zu kippen. Manchmal schleuderte auch einer der Wasserholer den Inhalt des Eimers den Entgegenkommenden entgegen. Es dauerte nicht lange, bis man völlig durchnässt war. Das Wasser schmeckte etwas salzig und war angenehm warm. Viele Inder machten eine betende Geste, wenn sie den Männern am Brunnen ihre Köpfe hinhielten. Metallabsperrungen lotsten die Mengen in die richtige Richtung. Auf diese Weise klapperten wir einen Brunnen nach dem anderen ab. Sie waren zwar nummeriert, von 1 bis 22, aber die Reihenfolge war durcheinander, was gut war, denn so verloren wir schon nach kurzer Zeit die Kontrolle und wussten nicht mehr, wie viele Wasserduschen noch vor uns lagen. Hin und wieder skandierte eine Gruppe junger Männer: „Om nama shivaya“ - was ungefähr so viel bedeutet wie „geheiligt sei dein Name, Shiva“. Die Stimmung war aufgekratzt und respektvoll zugleich. Niemand schubste oder drängelte. An einem großen Wassertank mit rosa Seerosen wurden die Eimer von einer Plattform ins Wasser gelassen. Wir ließen uns den Inhalt der Eimer über den Kopf kippen, lachten mit den Indern, gingen in unseren tropfnassen Kleidern weiter, fröstelten hin und wieder, wenn wir durch schattige Gänge liefen, rieben uns das Wasser aus den Augen, folgten den anderen tropfnassen Badenden, und kamen schließlich beim letzten Brunnen an, bei dem es keinen Eimer mehr gab, sondern nur eine kleine Messingschale pro Person. Das Wasser dort war nämlich das heiligste der ganzen Runde, „so heilig wie Wasser vom Ganges“. Das Ganze war eine Mischung von Volksfest und heiligem Ritual, mit dramaturgischer Steigerung (Wassertank) und sanftem Ausklang (Messingschale). Die meisten Badenden waren besser vorbereitet als wir, hatten in Taschen trockene Kleider mitgebracht, in die sie dann in einer Umkleide am Ausgang wechseln konnten. 

Wir liefen nass und tropfend und gut gelaunt zurück zu unserem Hotel, zogen uns trockene Kleider an, frisch gereinigt von allen bösen Gedanken, Worten und Taten unseres Lebens - jedenfalls konnten wir uns das für eine kurze Weile versichern. 


Freitag, 18. Januar 2019

Es ist Morgen in Ramesvaram

Es ist Morgen in Ramesvaram. Meine Zimmernachbarinnen sind schon vor sechs aus ihren Zimmern gehuscht und jetzt wahrscheinlich im Tempel, noch mehr Eindrücke einsaugend. Ich habe meditiert und Yoga gemacht und will jetzt den gestrigen Tag zusammenfassen. 

Wir lieben Ramesvaram! Dem indischen Nationalepos Ramayana zufolge hat hier König Rama mit Hilfe des Affenkönigs Hanuman seine Frau Sita aus den Händen des Herrschers von Sri Lanka gerettet. Da Rama seinen Widersacher in der Befreiungsaktion tötete und damit negatives Karma auf sich lud, wollte er Buße leisten. Er forderte Hanuman auf, zum Mount Kailash (dem Aufenthaltsort Shivas) zu fliegen und von dem Gott einen Lingam zu erbeten, mit dessen Hilfe er ein Reinigungsritual vollziehen könne (Der Lingam ist ein Phallussymbol und ein Symbol für Shiva und dessen Zeugungskraft). Da Hanuman so lange unterwegs war, drohte die für das Ritual günstigste Zeit zu verstreichen. In der Zwischenzeit fertigte Ramas Frau Sita einen Lingam aus Sand am Strand von Ramesvaram, und das reinigende Ritual konnte vollzogen werden. Hanuman, der von Shiva nicht nur einen, sondern zwei Lingams bekommen hatte, kam (wegen seiner Verpätung) zerknirscht zurück. Als Rama Sitas improvisierten Sandlingam durch einen Steinlingam von Shiva ersetzen wollte, ließ der sich auch mit gesammelter Kraft nicht mehr vom Fleck bewegen. 

Deshalb ist das wichtigste Objekt der Anbetung im Tempel von Ramesvaram ein riesiger, mit Messing verkleideter, Lingam aus Kristall, vor dem jeden Morgen um halbfünf ein Ritual stattfindet. Außerdem gibt es 22 Wasserbecken im Tempel, an denen man sich mit Wasser übergießen lassen (und damit sein Karma reinigen) kann. 

Gestern sind wir nur durch den Tempel geschlendert, ohne uns an dem Wasser-Ritual zu beteiligen, aber für heute habe ich fest vor, mich zu den tropfnassen Menschen zu gesellen, die von Becken zu Becken gelotst werden, um sich dort von dem heiligen Wasser übergießen zu lassen. Die morgendliche Puja vor dem Kristall-Lingam habe ich schon verpasst. Eigentlich plagt mich deshalb jetzt einen kleinen Stachel der Reue - andererseits brauche ich auch regelmäßige Aus- und Ruhezeiten, um mich von den Anstrengungen und Herausforderungen der Reise zu erholen und die Eindrücke sinken zu lassen.

Am gestrigen Nachmittag machten wir mit einem Taxi einen Ausflug zu „Ram Seth“, der „Brücke“ (eigentlich eher „Übergangsstelle“) zwischen Indien und Sri Lanka, die von Hanuman mit Hilfe seiner Affenarmee aus großen, ins Wasser gelegten, Steinen gebaut wurde. 

Die meisten Touristen, die uns dort begegneten, waren Inder. Nur vereinzelt streiften weiße Touristen auf dem riesigen Strand herum. Allein die Fahrt dorthin beglückte uns. Der Blick aufs Meer zu beiden Seiten, während wir auf der schmalen Landzunge an vereinzelten Ansammlungen von Palmenhütten vorüber fuhren. Früher war hier auch eine ganze Stadt, Danushkodi, mit Bahnhof und Kirche, aber ein Zyklon hat sie im Jahr 1964 zerstört, und es sind nur noch gespenstische Reste übrig. Fast alle Souvenire, die man an den Verkaufsständen bekommen kann, haben ihren Ursprung im Meer: Armbänder aus Muscheln, Perlenketten, große Muscheln, denen man einen durchdringenden Ton entlocken kann, wenn man mit der richtigen Technik hineinbläst, zu Pfauen geformte Muschelmosaike, die einen Spiegel umrahmen, Korallenketten und Türschmuck aus winzigen Muscheln. 

Immer wieder forderte man uns zu "Selfies" auf, wir wurden von Frauen aus Rajasthan umarmt, aßen Gurken- und Ananassticks mit Salz und Chili aus Zeitungspapier und machten schließlich vor einem Fischrestaurant halt (eine Palmenhütte mit Plastiktischen und Plastikstühlen), wo wir gebratenen Fisch und Krabben von kleinen Plastiktellern aßen. 

In dem ins Meer gebauten Gandamadana Tempel ließen wir uns von dem zuständigen Brahminen die Geschichte von Rama und Sita noch einmal erzählen, bewunderten die Fußabdrücke von Rama, ließen uns mit der typischen Metallhaube segnen und bekamen jede ein paar Blätter Tulsi, heiliges Basilikum, in die Hand gedrückt..

Nach unserer Rückkehr ins Hotel machte ich einen Abendspaziergang um den Tempel herum, streichelte ein paar herumspazierende Ziegen (und gab ihnen das heilige Basilikum), schaute Pilgern beim Bad in den Wellen zu, begegnete einem übel von der Räude verunstalteten und verkrümmten Hund, dessen Bild mich jetzt wieder lange verfolgen wird, trank ein Glas Badam-Milch und dachte darüber nach, was die jungen Männer, die hinter dem dampfenden Topf mit der gelben Milch standen, wohl für Erwartungen ans Leben haben. 

Heute geht es weiter. Wir lassen unsere Zugtickets verfallen und  leisten uns eine fünfstündige Taxifahrt nach Trichy, die uns umgerechnet etwa 80 Euro kosten wird. 

Donnerstag, 17. Januar 2019

Das Hotel, das nicht existierte

Und wieder ein neuer Ort. Ramesvarar, das auf einer Insel liegt, nur etwa 30 km entfernt von Sri Lanka. Bis jetzt haben wir Ramesvaram nur bei Nacht gesehen, und wie üblich sitze ich auf dem Bett in meinem Hotelzimmer, den ipad auf den Knien. 

(Meine Zimmernachbarn klopften gerade schreiend an meine Tür und wollten mir die “bedbugs” zeigen, die angeblich in ihrem Bett herumspringen, aber es zeigte sich, dass es sich um winzige Löcher im Laken handelte.)

Heute vormittag waren wir noch in Madurai, fuhren mit Rikshas zum Gandhi-Museum, schauten uns die Ausstellung zum indischen Unabhängigkeitskampf an, Bilder zum Leben Gandhis und Ausstellungsstücke, die mit seinem Leben zu tun hatten. Wir stöberten in dem kleinen Museumsshop herum, der außer Büchern zu Gandhis Leben auch Bücher zur Alternativmedizin hatte, sowie hölzernes Spielzeug und Ohrringe aus Samen und gesundes Knabber- und Süßzeug. Auf einem Tisch stand “untouchable food”, u.a. Coca Cola und Chips, “do not touch!”. Dann war es Zeit, beim Schneider meine übliche Fischerhose abzuholen, aus einem dhoti (einem indischen Hüfttuch) genäht und dieses Jahr rot-lila kariert. Unsere Schar war weiter geschrumpft, als wir uns mit unseren Rollkoffern auf den Weg zum Bahnhof machten. Zuvor hatten wir an der Hotelrezeption noch ordentlich herumgeschimpft, weil die Wäsche, die wir dort abgegeben hatten, verfärbt und zum Teil verdorben zurückgekommen war. Wir forderten, dass wir die Wäsche zumindest nicht bezahlen müssten, aber der Dubi Walla stellte seine Ohren auf Durchzug und tat so, als würde er nicht verstehen, was wir sagten.

Der Zug war vespätet, ein anderer Zug wurde dazwischengeschoben, wir fragten mindestens fünf verschiedene Gesellschaften, ob das Gleis auch richtig sei, obwohl wir eigentlich sicher waren, aber dann halt doch wieder nicht. Als der Zug endlich einfuhr und wir unsere Plätze einnahmen, waren wir sehr müde, und als wir dann erfuhren, dass der Zug gar nicht nach Ramesvaram fahren würde und dass wir von Mandapam entweder einen Lokalbus nehmen müssten oder ein Taxi, fühlte wenigstens ich (als die offizielle Leiterin der kleinen Gruppe) mich noch müder. 

Aber das Beste sollte noch kommen: Ein junger Taxichauffeur (der außer “price” des Englischen nicht mächtig war, aber sehr nett, hilfsbereit und effektiv) fuhr uns vom sandigen Bahnhof nach Ramesvaram, dabei jedesmal geschäftig hupend, wenn er einen der Lokalbusse überholte, in denen müde Inder in den Fenstern hingen. Unser Hotel hatten wir ordentlich bei booking.com gebucht, doch bei der Ankunft war klar, das das einstige Hotel heute nicht mehr existierte. Das Schild war abgenommen und ruhte im Sand, die Tür stand aber trotzdem offen. Ich ging durch die leeren, düsteren Gänge, dabei rufend, in der Hoffnung, dass mir eine menschliche Seele antworten würde. Schließlich stieg ich alle Treppen hoch und sah endlich ein paar Latschen auf den Stufen stehen, und ein Mann mit einem kugelrunden Reisbauch und einem Lunghi um die Hüften stand sogleich in der Türöffnung eines Zimmers, das völlig chaotisch aussah und in dem ein Fernseher lief. Das Hotel sei nicht mehr in Betrieb. Wir hätten gebucht, jaha, aha, soso. Wenn wir wollten, könnten wir einige Zimmer beziehen, aber ohne jeden Service. Ich war schon kurz davor, einzuwilligen, aber unser Chauffeur zog mich am Ärmel und zurück auf die Straße, wo bereits ein weißgekleideter Inder stand, der uns sein Hotel als Ersatz anbot, gleich über die Straße und hell erleuchtet, und mit vier Boys an der Rezeption, die flink unser Gepäck auf fünf Zimmer verteilten. Also habe ich heute ein Einzelzimmer, was mir gut tut. P ist bereits in Tiruchirapalli, um ihre Bronchitis auszukurieren und außerdem der Teilnehmerin mit dem wehen Bein beizustehen, die inzwischen im Krankenhaus liegt. In Indien muss man, wenn man im Krankenhaus liegt, ständig jemanden an seiner Seite haben. 

Für morgen steht die Besichtigung des Tempels an und ein Besuch am Strand. Ich habe aufs Abendessen verzichtet, nur einen Becher Tee getrunken und die Klimaanlage in Gang gesetzt. Ich bin jetzt zufrieden und bei mir angekommen und neugierig darauf, was uns morgen wohl erwartet.

Mittwoch, 16. Januar 2019

Mehr aus Madurai

Nach eineinhalb Tagen Madurai - der Seele der Hindus näher und Welten davon entfernt! Mehrmals haben wir den Meenakshi-Tempel umrundet, sowohl außerhalb als auch innerhalb der Mauern. Wir haben uns die Geschichte der fischäugigen Göttin Meenakshi erzählen lassen und haben sie uns gegenseitig wieder erzählt. Wir sind im Labyrinth der Tempelanlage herumgeirrt, vorbei an schwarzgekleideten Pilgern und anderen Besuchern, haben versucht, unsere Opfergabe, eine Schüssel mit eineinhalb Kokosnüssen, zwei Bananen, einem Blumenschmuck, einer heiligen safransgelben Schnur und zwei Döschen mit gelbem bzw. rotem Pulver loszuwerden, wir haben auf tausend Säulen gestarrt und uns auf die Messingplatte gestellt, von der aus man durch ein Fensterchen in der Mauer ein Fitzelchen der goldenen Gopura erspähen kann, wir haben hilflos versucht, zu begreifen, was wir sahen, haben uns im Strom der Besucher mittreiben lassen, als Zuschauer und Analphabeten, vorbei an Butterlämpchen, an Verkaufskiosken, an denen man süße, fette Kugeln in Bananenblättern verkaufte, vorbei an Brahminen, die, auf dem Boden sitzend, private Ritale für Besucher ausführten, wir haben uns am Anblick des riesigen Tempeltanks erfrischt und uns noch einmal vorbuchstabiert, welche Hindugötter wir kennen, in welcher Beziehung sie zueinander stehen, und haben unser Wissen, dass Meenakshi gleich Parvati ist, dass Shiva hier einen anderen Namen trägt, so vor uns hergetragen, dass wir uns einbilden konnten, wir seien tatsächlich Experten.

Außerhalb der Tempelmauern haben wir die schwarzgekleideten Pilger dabei beobachtet, wie sie Kleidchen und Plastikspielzeug für ihre Kinder zu Hause kauften, wir haben Zuckerrohrsaft mit Zitronensaft und Ingwer getrunken, noch ein grüne Kokosnuss leergesüffelt, haben in heruntergekommenen “medical”-shops Hautöle, Hustensäfte und ayurvedische Tees gekauft, uns von einer alten Inderin Baumwollgarne in unzähligen Farben in eine selbstgemachte Papiertüte packen lassen, wir sind durch die düstern Markthallen im alten Tempelbereich gelaufen, vorbei an schmiedeeisernen Feueröfen und Bratpfannen, an Messinggeschirr und Körben aus Palmenblättern, wir haben immer wieder abwehrend die Hände gehoben, wenn man uns zum hundertsten Mal ansprach und uns Beutel, Schals, Hosen, Bettüberwürfe anbot, mit “just lookin, mam” versuchte, uns in Kashmiri-Shops zu locken, von deren Dächern man “die beste Aussicht” hat, wir haben in Seitengassen zugesehen, wie man Spritzgebäck in verschiedenen Farben und Geschmäckern in heißem Öl frittierte, wir haben uns von einem Schneider das Blaue vom Himmel herunter versprechen lassen und dann beim Abholen festgestellt, dass er alles falsch gemacht hatte, was man nur falsch machen konnte. Wir haben zugesehen, wie Shivas Reittier und Begleiter, die Kuh “Nandi”, die in riesenhafter und bunt bemalter Ausführung vor dem Tempelbezirk steht, von Brahminen mit Weihrauch und Geschepper umrundet wurde, wir haben uns unser Herz vom Anblick der abgezehrten, staubigen Hunde zerreißen lassen, sind löchrige Gehsteige entlang gelaufen, haben uns Reis und Soßen auf Bananenblätter kippen lassen und mit unseren Händen gegessen, haben unsere Wäsche verfärbt und angegraut vom Hotelwäscher zurückbekommen, wir haben gestaunt darüber, wie wir von einer Welt in die nächste taumeln, wie schnell wir vergessen und wie unberechenbar die Zeit ist.

Heute vormittag haben wir mit drei gut gelaunten Rikshafahrern eine ausgedehnte Runde durch die Stadt gedreht, haben mit ihnen Eis gegessen und Selfies gemacht und einige Sehenswürdigkeiten abgeklappert. Das Gandhimuseum war geschlossen, und morgen machen wir einen neuen Versuch. Ich sitze auf dem Hotelbett, den Bauch voll von Paneer Biryani und Lemon Soda, die ich in der erfrischenden Abendbrise auf dem Hoteldach genossen habe, mit Blick über die Dächer der Stadt und auf die riesigen, erleuchteten Tempeltürme. Morgen geht es weiter. Leider ist P heute krank gewesen, und von einer der Teilnehmerinnen, die wir in Trichy zurücklassen musste, hörten wir, dass sie inzwischen in einem Krankenhaus liegt. Zum Glück können sich unsere indischen Freunde rund um die Uhr um sie kümmern. 

Gleich werde ich noch ein wenig in meiner indischen Lektüre weiterlesen (Durjoy Datta: Till the Last Breath...) weiterlesen, bevor ich das Licht ausmache. 

Zurück im Gewusel

(Wegen Wifi-Problemen verspätet)

Gestern brachte ein Zug uns zurück ins indische Gewusel. Wir aßen am Bahnhof frittierte Linsenfladen, kauften “fruit halva”, Tee, Cashewnüsse und Bananen und stiegen dann in den Zug. Wegen des enormen Gruppenschwunds aufgrund von Krankheit, Unpässlichkeit und eigenen Unternehmungen (zwei Personen waren über den Tag zu einer Bischofsweihe gefahren und sollten abends zu uns stoßen, und insgesamt drei Personen ruhten sich aus verschiedenen gesundheitlichen Gründen im Hotel Femina in Trichy aus) hatten wir 11 Plätze für 6 Personen zur Verfügung und mussten feststellen, dass es zu elft ganz schön knapp geworden wäre - und da haben wir unser Gepäck schon erheblich abgespeckt! Es folgten drei Stunden Zugfahrt durch die indische Landschaft, im warmen Luftzug, der durch die vergitterten Fenster hereinwehte. Verkäufer mit Körben und Schüsseln auf dem Kopf gingen durch die Abteile und verkauften frittiertes Spritzgebäck, Früchte und Ananasschnitze mit Chilipulver und Salz. Tee- und Kaffeeverkäufer trugen Edelstahlbehälter mit Ausgusshahn, in denen sie eine Wasser-, Milch- und Zuckermischung hatten, die sie dann je nach Wunsch entweder mit einem Teebeutel oder mit Pulverkaffee anreicherten. An unserem Ankunftsort Madurai nahmen wir angesichts der Treppen einen der rotgekleideten Träger zur Hilfe, der sich zwei aufeinander gestapelte Koffer auf den Kopf lud, eine Reisetasche über seine Achsel hängte und mit dieser Last die Treppe hinaufstieg. Drei Rikshas fuhren uns ins “Hotel Supreme”, und dann wurden unsere Koffer vom Hotelpersonal in die Zimmer gebracht. Die “Zivilisation” hat uns also wieder und damit die Aufteilung in “Dienende” und “Bediente”, und wegen dem Geld in unseren Taschen ist es klar, zu welcher Kategorie wir hier gehören. 

(Später)
Der Wifi-Anschluss im Hotel Supreme in Madurai funktioniert heute nicht, was uns ganz rastlos macht. Als ich 2007 zum ersten Mal in Indien war, war an Wifi im Hotelzimmer nicht zu denken - wenn man telefonieren wollte, ging man in einen Telefonladen, stand in einer von einem Ventilator belüfteten Telefonbox und zahlte hinterher einen horrenden Preis. Lärm und Staub und Schmutz von Madurai sind anstrengend. Ich versuchte mir heute vorzustellen, wie es wohl gewesen sein muss, hier vor etwa hundert Jahren durch die Straßen zu gehen, stellte mir die Häuser sauber vor, die Läden farbenfroh und die Menschen würdevoll und gechmackvoll gekleidet. P weckte mich schnell aus meinem Traum, indem sie sagte, die Armut sei damals entsetzlich gewesen. Ich weiß nicht, ob sie recht hat, und ich bin mir auch nicht sicher, wie “Armut” zu definieren ist. Sich einen riesigen Fensehapparat leisten zu können,  vor dem man dann sein halbes Leben verdöst, ist Armut in einem anderen Sinn, und ob es heute Menschen in Indien gibt, die verhungern, kann ich nicht sagen. Wie immer ist die Wirklichkeit vielfältiger als unser Bedürfnis nach einfachen Erklärungen es sich wünschen würde. 

Wir gingen durch eine enge Gasse, in der ein Optikerladen neben dem anderen lag. Man hatte buchstäblich das Gefühl, durch Dreck zu waten. Ein Gefühl der Trostlosigkeit ergriff mich. Der Schmutz scheint manchmal ganz einfach übermächtig, lähmend, deprimierend, besitzergreifend. 

Sonntag, 13. Januar 2019

Saccidananda Ashram

Ich sitze mit einem Becher Tee und Keksen im Schatten, während ich das schreibe. Die Mittagsruhe legt sich über den Ashram. Seit vier Tagen sind wir hier. Es ist leicht, sich an die Tagesroutine zu gewöhnen, an die dreimal täglich wiederkehrenden Gebetszeiten, das Morgen- und das Abendmantra, die gemeinsam (auf dem Boden sitzend) eingenommenen Mahlzeiten, deren Zutaten wir nach dem Frühstück selber gehackt haben, an die Tee- bzw. Kaffeepause am Vormittag und Nachmittag. Wir wissen, welche Tageszeit am besten ist für Unternehmungen und Ausflüge und wo wir uns mit Keksen eindecken können. Die Teilnahme am Tagesprogramm ist übrigens freiwillig - aber es ist leicht, sich in den Flow hineinzubegeben, davon tragen zu lassen. Am Vormittag und am Abend haben wir außerdem gemeinsames Tanzprogramm, gestern abend waren alle Besucher des Ashrams dazu eingeladen. 

Heute vor dem Frühstück war ein Mordsgetöse vor dem Speiseraum, Trommeln und Tröten, und zwei Karren wurden mit Papierfahnen und Palmwedeln geschmückt. Vier weiße Büffel mit grünen und roten Hörnern, die man bereits geduscht und gebürstet hatte, wurden herbeigeführt und an die Karren angeschirrt, und man bat die Ashramgäste, darauf Platz zu nehmen. Worum es ging: eine deutsche Organisation, deren Namen ich nicht weiß, hat offensichtlich zwanzig einfache Häuser für das Dorf gespendet, die heute eingeweiht werden sollten. Eine Vertreterin der Organisation war anwesend, aber offensichtlich wollte man die Karren mit mehr Westlern füllen und ermunterte uns deshalb, auch aufzusteigen. Unser englischer Freund Michael, der jedes Jahr mehrere Monate im Ashram verbringt und immer die beste Informationsquelle ist, hatte uns bereits augenrollend von dieser Aktion erzählt, die er “ disgusting” fand, wegen dem ganzen Pomp und der gönnerischen (weißen) Überlegenheitsgeste. Die meisten unserer Gruppe wählten auch, nicht mitzufahren, sondern lieber gemeinsam mit dem Küchenpersonal Zwiebeln zu hacken und Rote Bete zu reiben. Später hörten wir von dem aufgebrachten Michael, dass man im Dorf den Kindern Süßigkeiten hingeworfen hatte, auf die diese sich dann gestürzt hätten.

Ich habe mich jetzt in mein Zimmer (meine Zelle?) zurückgezogen, um den schwedischen Gesprächen über den Unterschied zwischen Schweden und Indien zu entkommen. Überhaupt ist mein Bedürfnis nach Rückzug ziemlich groß, und ich gebe ihm nach, so weit meine Rolle das hier erlaubt. Der Ventilator dreht sich über meinem Kopf und fächelt mir eine kühlere Brise zu. Gestern Abend bin ich in mein Bad gegangen und habe die Bananen, die ich zuvor auf den Tisch gelegt hatte, angeknabbert auf dem Boden gefunden - ein Gruß der Eichhörnchen, denen ich schließlich auch den Rest der Mahlzeit überließ, allerdings außerhalb meines Zimmers. 

Gestern habe ich mich am Nachmittag unter mein Moskitonetz gelegt und angefangen, Bede Griffiths Buch “Return to the Centre” zu lesen. Unter seiner Leitung hat sich der Ashram von 1968 an zu dem entwickelt, was er heute ist, gegründet wurde er aber bereits 1950 vom zwei französischen Patern, die das zweite vatikanische Konzil vorwegnahmen, indem sie zeigten, dass sie sich mit der hinduistischen “Suche nach Gott” und der Frage nach dem Absoluten identifizierten. Den Ashram nannten sie “Saccinananda”, was so viel heißt wie “Sein, Bewusstsein und Seligkeit”, ein hinduistischer Begriff für die Gottheit, die die Mönche als Symbol für die heilige Dreieinigkeit des christlichen Glaubens verstanden. Einer dieser zwei Mönche starb schon 1957, bevor der Ashram etabliert war, der andere lebte eine Weile hier allein und zog dann als Hermit in den Himalaya, wo er 1973 starb. Seit 1980 gehört Shantvanam zum Benediktiner-Orden, inzwischen leben hier ausschließlich indische Mönche. Werdende katholische Priester sind öfter zu Besuch hier, wie die Gruppe der Priesterkandidaten aus Coimbatore, junge und offene (und ernsthafte und verspielte) Männer, die eine zwölfjährige Ausbildung durchlaufen, bevor sie zu Priestern geweiht werden. Texte der Baghavadgita gehören genauso zum Gottesdienst wie schmissige Lieder auf Tamil, zu denen getrommelt und gerasselt wird, und bei denen wir mitzusingen versuchen, so gut es geht. Die Liturgie hat Elemente der hinduistischen Tempelrituale übernommen - das Schwenken des Feuers, das Pulver, in das man den Finger taucht, bevor man sich damit auf die Stirn tupft, das Erheben der Hände über den Kopf, das Sich-zu-Boden-Werfen. 

Einer der Mönche berührt mich besonders, schon seit meinem ersten Besuch im Jahr 2012. Er ist großgewachsen, trägt das graue Haar zurückgekämmt und ist eine edle Erscheinung, trotz seiner ausgewaschenen orangegelben Sanyassin-Tücher. Er hält sich immer abseits, sitzt auch in der Kirche nicht in der Reihe der Mönche, sondern auf einem Besucherstuhl. Er redet nicht, läuft immer allein über das Gelände, mit den Händen auf dem Rücken. Auch bei den Mahlzeiten sitzt er nicht im allgemeinen Speisesaal, sondern im Vorraum, an einem der Tische, wo an den Morgen das Gemüse gehackt wird. Wenn man ihn anlächelt, dann lächelt er zurück, aber ich habe ihn äußerst selten mit jemandem sprechen sehen (später erfahre ich, dass er aus Kerala kommt und weder Englisch noch Tamil spricht). Für mich stahlt er Einfachheit aus und Bedürfnislosigkeit. In den ersten Jahren war ich immer etwas eingeschüchtert, wenn er mir über den Weg lief, vielleicht, weil ich mir einbildete, er müsse auf mich herabsehen, aber diese seltsame Projektion habe ich inzwischen abgelegt. Es tut mir gut, ihn zu sehen, und mich später an ihn zu erinnern, wenn ich wieder zu Hause bin und in meine Lebensdramen verwickelt.

Der älteste Mönch, der momentan auf dem Gelände lebt, ist ein witziger Typ. Braust mit seinem Moped (und seiner blaugelben Schirmmütze und seiner Umhängetasche) herum, singt laut und ohne jeden Rhythmus im Gottesdienst mit, unterhält sich lebhaft mit den Besuchern, stapft energisch übers Gelände - er half mir vor ein paar Tagen, die französische Ärztin ausfindig zu machen, die so oft hier ist, dass sie ihre eigene Hütte hat, dabei redete er unaufhörlich. Er erzählte, dass er eine Katze hat, die eine Reinkarnation eines der Gründer ist. Er füttert die Pfauen mit Reis, schwört darauf, dass man sich Krankheiten vom Leib hält, wenn man jeden Tag ein frisches grünes Pfefferkorn kaut, und hat die Veranda seiner Mönchshütte, die direkt neben dem Kuhstall steht, mit Konterfeis der spirituellen Väter des Ashrams geschmückt. Wenn er sagt, dass er glücklich ist, glaubt man ihm aufs Wort. 

Der Ashram ist gedacht als Ort der Begegnung für Hinduisten, Christen und Menschen aller Religionen (oder keiner), die “genuin auf der Suche nach Gott” sind. Für mich ist er ein Ort, an dem ich mich wohlfühle. 

Jetzt läutet die Glocke, die anzeigt, dass Teepause ist - also höre ich für heute auf und gehe zum Teepavillon. 

Nachbemerkung: Der indische Optimismus hat sich dann doch nicht bestätigt. Die Kursteilnehmerin mit dem schmerzenden Bein ist inzwischen in Trichy, wo sie sich in einem Luxushotel mit Swimming Pool (und Room Service) hoffentlich etwas erholen kann. 

Freitag, 11. Januar 2019

Indischer Optimismus

Ein weiteres Problem erforderte eine Lösung - eine der Teilnehmerinnen musste zum Arzt gebracht werden, nachdem ein langes Beratungsgespräch mit einer französischen Ärztin zu dem Schluss geführt hat, dass es vielleicht besser ist, wenn sie ihre Reise abbricht und nach Schweden zurückfliegt. Hartnäckige Schmerzen im Bein in Kombination mit Taubheitsgefühl deuten auf einen eingklemmten und entzündeten Nerv hin. Wie auch immer ihre Entscheidung aussehen würde - sie bräuchte ein Attest vom Arzt und außerdem neue Medizin. Also setzten wir uns in eine Riskha und ließen uns vor dem “Krankenhaus” von Kulitthalai absetzen, einem unschenibaren Haus, wo man uns sofort zum Arzt brachte, einem grauhaarigen Mann mit lila T-Shirt, der uns mit einem entwaffnenden Lächeln empfing und seine weibliche Kollegin herbeirief. In dem winzigen Sprechzimmer wurde jetzt mit gemeinsamen Sprach-Anstrengungen und unter viel Gelächter eine Anamnese erstellt, nach dem trübsinnigen Nachmittag mit dem trübsinnigen Bescheid der französischen Ärztin eine willkommene Abwechslung. Jedes Mal, wenn der Arzt auf eine Klingel drückte, kam sofort eine der Schwester herein und brachte, worum er sie bat. Der Befund war wohl derselbe, aber die Schlussfolgerung eine andere: insgesamt vier Tabletten und die Behandlung mit Anti Pain Oil, so erklärte man uns, würde innerhalb von zwei Tagen zur kompletten Besserung führen - eine Heimreise sei nicht erforderlich. Am Ende kauften wir in einer improvisiert zusammengenagelten Apotheke im Eingangsbereich des “Krankenhauses” die Tabletten und das Öl - der gesamte Spaß kostete 150 Rupies, Behandlung inklusive, ca. zwei Euro. Erleichtert und aufgekratzt tuckerten wir mit der Riksha zurück zum Ashram.

Inzwischen ist bereits ein Tag von zweien vergangen, und die Vorhersage hat sich noch nicht ganz bewahrheitet. Wir überlegten, ob die Prognose in das Kapitel “ indischer Optimismus” einzuordnen ist, der zum Beispiel unsere Minibusfahrer immer zu der Annahme bringt, dass sie das gesamte (gewaltige) Gepäck unserer elfköpfigen Gruppe auf einem etwa einen Quadratmeter großen Stauraum unterbringen können. Komischerweise hat das im letzten Bus wirklich funktioniert - allerdings blieb ja wie bereits berichtet ein Koffer einfach stehen. Vielleicht wird bis morgen wirklich noch ein Wunder geschehen - ich werde davon berichten.


Donnerstag, 10. Januar 2019

Endlich wieder Gemüse hacken

Inzwischen sind wir im Shantivanam Ashram angekommen, was heißt, dass wir jetzt (leider nur) einige Tage in einer wohltuenden Oase in der Nähe des Kaveri-Deltas verbringen, in der Gesellschaft von orange gekleideten indischen Benediktinermönchen, zahllosen Pfauen, Erdhörnchen, Kühen (natürlich auch Mücken) und inmitten von Bananenstauden, Pfefferstauden, Kokosnusspalmen, Hisbiskusbüschen und anderem, was hier sprießt und wächst und gedeiht. Zum Ashram vielleicht später mehr. Erstmal noch etwas zu den Prüfungen, die uns hier täglich begegnen, an denen wir (hoffentlich) wachsen.

Gestern, als wir von Chidambaram hierher gekommen waren, mussten wir feststellen, dass ein Koffer fehlte. Und das, obwohl drei Personen unabhängig voneinander nachgeschaut hatten, ob noch Koffer in der Rezeption oder vor dem Hotel standen, obwohl P vor der Abfahrt alle Zimmer kontrolliert hatte. Das allein ist schon Alptraum genug. Aber der Alptraum wurde potenziert, als wir begriffen, dass in dem Koffer lebenswichtige Medikamente gewesen waren. Unser Chauffeur half uns, beim Hotel anzurufen, und es erwies sich, dass der Koffer aufgefunden worden war. Das war schon mal eine Erleichterung. Aber wie ihn hierher bringen? Wegen den Medikamenten musste das so schnell wie möglich geschehen. En Bus ging nicht mehr, und es war schon sechs Uhr abends. Unser Chauffeur schickte einen Taxifahrer los, der vier Stunden hin, vier Stunden zurück unterwegs sein sollte. Also mussten wir den Wächter informieren, dass mitten in der Nacht ein Taxi mit einem Koffer hier aufkreuzen würde. Das Ganze hatte noch einige indische Wendungen, die ich hier jetzt auslasse, aber der Koffer kam tatsächlich um zwei Uhr nachts an, vollständig in Plastikfolie eingewickelt. 

Ich sitze im “Gemeinschaftsraum” unserer Gruppe, unter freiem Himmel, es wird gerade dunkel und die Mücken stellen sich ein. In der Luft ist noch der Rauch der Leichenverbrennung, die heute auf der Bestattungsstätte in der Nähe des Flusses stattgefunden hat. Wir hörten das Getrommel und das Geschepper, als der Leichenzug an unseren Zimmern vorüberzog. 

Zum Titel des heutigen Eindrucks will ich nur kurz sagen, dass wir hier auch endlich wieder Gemüse hacken dürfen. Ich habe heute eine riesige Schüssel Rettich gehackt, am Anfang unter den erstaunten Augen von einigen jungen (Spinat hackenden) indischen Priesterkandidaten, die vielleicht nicht geglaubt haben, das wir unser Essen zu Hause selber kochen. Später wurde ich von ihnen zum “Master Chef” ernannt.  Es ist schön, so ganz normal und alltäglich wieder unter Menschen zu sein, es kommt zu interessanten Begegnungen und Gesprächen, und das Einzige, was unser Wohlgefühl im Moment trübt, ist eigentlich, dass wir in ein paar Tagen wieder von hier wegmüssen.

Dienstag, 8. Januar 2019

Bettlägrig in Chidambaram

Im Hotelzimmer von unserem Pilgerhotel in Chidambaram, das fürchterlich nach Mottenkugeln oder Mückenmittel stinkt, wenn man hereinkommt, aber nach einer Weile hat man sich an den Geruch gewöhnt und nimmt ihn nicht mehr wahr. Gestern hat es mich geschlaucht. Die Erkältung war doch noch nicht vorüber, und als wir in der Mittagshitze in Chidambaram ankamen, sah ich ein, dass ich den Rest des Tages am besten im Bett verbringen sollte. Ich schlief, trank ayurvedischen Tee, aß Papaya und Ananasstückchen, die P mir in regelmäßigen Abständen von einem glücklichen Fruchtverkäufer in kleinen Zeitungspapierpäckchen brachte, hörte mir Podcasts an, las, nahm greulich süßrosa Hustensaft zu mir und war fast ein wenig erleichtert, dass ich mich auf diese Weise ausruhen konnte. 

Deshalb habe ich auch gestern nichts geschrieben - sonst hätte ich von dem Busfahrer erzählen können, der auf der Fahrt von Pondicherry nach Chidambaram geduldig versucht hat, uns einige grundlegende Wörter und Ausdrücke auf Tamil beizubringen. Ich machte mir keine Mühe, sie mir zu merken, es war schon Herausforderung genug, sie nur nachzusprechen, die rollenden Laute, bei denen die Zunge und die Mundhöhle ganz neue Aufgaben bekommen. 

Heute am späten Nachmittag war es dann so weit, dass ich wieder aufstehen konnte. Ich duschte, zog mich an und ging hinaus. Unser Hotel liegt so nahe am Hoteleingang, dass wir die Schuhe im Hotelzimmer lassen konnten. Indische Tempel sind einfach großartig, einschüchternd, magisch und beunruhigend, alles zugleich. Ich versuchte, mir vorzustellen, wie es gewesen war, als man diesen Tempel baute. Unzählige in Stein geschlagene Säulen, labyrinthische Gänge, filigrane Reliefs und Figuren, die man stundenlang studieren könnte. All das von Menschenhand gemacht, vor ungefähr tausend Jahren. Es ist wirklich kaum möglich, das zu begreifen. 

Der Tempel von Chidambaram ist dem Schöpfungstanz von Shiva gewidmet. Vor dem Platz, wo dieser Tanz stattgefunden hat, sitzt heute ein junger gelangweilter Brahmine der Dikshita-Kaste mit dem weißen Hüfttuch und dem typischen Haarknoten und scrollt auf seinem Handy. Einen indischen Tempel zu beschreiben, ist so gut wie unmöglich. Man kann dort stundenlang herumsitzen und nur den Leuten zuschauen, die dort herumlaufen oder -sitzen, und es wird einem nicht langweilig. Chidambaram ist eine Pilgerstadt, und viele Pilger kommen von weither, mit ihren Pilgerbussen, in denen sie auch schlafen und in deren aufklappbarem Kofferraum sich riesige Töpfe befinden, in denen gekocht wird (die Überreste der Mahlzeit samt Papptellern landet im Rinnstein) in ihren speziellen Pilgerfarben - hier vor allem knallrot. 

Ein indischer Tempel ist düster und trotzdem von Licht durchströmt, es gibt überdachte Teile und Innenhöfe unter freiem Himmel. Überall stehen Figuren herum, die verschiedene indische Götter darstellen, hübsch gekleidet, mit Blumengirlanden geschmückt und mit Farbtupfen verziert, dann wieder findet man sich in einem Gebäudeteil wieder, in dem winzige, in Stoff-Fetzen gekleidete Figuren in Wandnischen aufgereiht sind, deren Funktion unklar ist. Vor dem Tempeleingang sind immer haufenweise Stände, an denen man Blumenspenden,  Butterlichter und andere Devotionalien kaufen kann, aber auch nützliche Gegenstände wie Metalldosen und Seile. 

Wenn sich der Zeitpunkt nähert, zu dem das Heiligste enthüllt wird, das sich im Zentrum des Tempelgebäudes befindet, dann erhitzt sich die Stimmung. Die Menschenmenge wird dichter, drängt sich vor der „Bühne“, wo dann im Lauf einer halben Stunde alle möglichen Rituale durchgeführt werden, die für uns Außenstehende schwer zu begreifen sind. Einige Besucher haben Trommeln und  Zimbalen, die sie rhythmisch schlagen, im Chor mit Schellen und riesigen Glocken, die anzeigen, an welchem Punkt die Dramatik sich gerade befindet. Es ist schwer, sich diesem Sog zu entziehen. Feuerlampen werden geschwenkt, Blumengirlanden hin- und hergetragen, die Besucher drängen sich näher, heben die Hände über den Kopf und legen sie dann auf ihre Wangen. Brahminen nehmen Geld entgehen und teilen Farbtupfer aus. Im Vishnutempel bekam ich wieder die kleine Metallschale auf den Kopf gesetzt und ein Schlückchen Wasser in die Hände, mit dem ich mir dann den Mund und die Haare benetzte (ich vermied es, das Wasser zu trinken). 

Irgendwann ist das Spektakel dann zu Ende. Der Vorhang wird vorgezogen, die silbernen Türen werden geschlossen, der Gott darf sich jetzt wieder ein wenig ausruhen, bis es Zeit für die nächste Enthüllung ist. So geht das Tag für Tag, Jahr für Jahr, seit Jahrhunderten. Die Brahminen wirken etwas gelangweilt, vielleicht auch gefangen in dieser unzeitgemößen Rolle, andererseits ist es gerade das Unzeitgemäße, das eine große Kraft ausstrahlt. Mir kommen indische Tempel vor wie Orte, an dem man einen Ort aufsucht, der sich tief in einem selbst befindet.