Montag, 21. Januar 2019

Kino auf Tamil

Unser Hotel in Trichy hatte nicht nur einen Pool, in dem man hin und wieder einige gemächliche Bahnen schwimmen konnte, sondern ein paar Häuserblöcke weiter gab es auch ein Kino, in dem acht Filmvorstellungen täglich gezeigt wurdren. So ein Tamil-Film dauert drei Stunden lang, und auch wenn man die Sprache nicht versteht, ist die Handlung so überdeutlich, dass man kein Problem hat, ihr zu folgen. Außerdem kommen so viele Action-Szenen vor, dass man über weite Strecken ganz ohne Sprache auskommt. 

Also saßen wir am Sonntag um 12:00 Mittags in einem vollbesetzten Kino, erwartungsvoll und mit einer Tüte Samosas sowie mit Ohrenstöpseln ausgestattet, und lehnten uns zurück, um uns der geballten Ladung an Drama, Komik, Action, Musik, Love Interest und Tanz zu überlassen. Das ganze Kino tobte, als der Held (und später die Heldin) zum ersten Mal auf dem Bildschirm auftauchte, und immer wieder im Lauf der Handlung gab es Spannungsmomente, in denen man seinen Gefühlen mit Johlen und Jubeln seinen freien Lauf ließ. Nach einer Weile fingen wir an, mitzujohlen, ergriffen von der Dramatik der Handlung. Der stete Strom der Bösewichte, die hinter einer Ecke auftauchten, mit Macheten, Stangen, Messern bewaffnet, schien manchmal gar nicht abzureißen, und wenn man glaubte, endlich aufatmen zu können, ging es wieder von vorne los. 

In der gut getimten Pause konnte man u.a. dann Popcorn (mit Chili) kaufen oder Donuts mit Schokofüllung, und der Gedanke, den ich Anfangs gehabt hatte, dass ich ja in der Pause gehen könnte, war da wie weggeblasen. Ich MUSSTE sehen, wie es weiter ging. Als die Handlung von Tamil Nadu nach Mumbai wechselte, kamen öfter englische Ausdrücke und Wörter vor, so dass es uns leichter fiel, der Handlung zu folgen, und in den Schluss-Szenen saßen wir auf unseren Kinositzen und weinten hemmungslos. Als das Licht anging, sah man viele Zuschauer, die sich die Tränen mit ihrer Donut-Serviette aus den Augen wischte. 

Ich glaube nicht, dass ich etwas kaputtmache, indem ich verrate, dass der Film gut ausging. Der Held und die Heldin fanden wieder zueinander, der Vater konnte endlich seine Tochter in die Arme schließen, der Bösewicht war bekehrt und voller Reue. Der Film enthielt eine Reihe wichtiger Botschaften - was typisch ist für den indischen Film. Es gab eine starke Frau, die beruflich erfolgreich war, es gab einen Haudegen mit dem Herz auf dem rechten Fleck, man konnte lernen, dass es nicht gut ist, wenn man seine Kimder mit übertriebenem Ehrgeiz antreibt,  dass man manchmal verzeihen muss und dass man als Hindu mit einem Muslim befreundet sein kann. 

Als wir den Kinosaal über einen Seiteneingang verließen, standen wir vor einem riesigen Berg von Einwegsverpackungen, Bechern und Servietten, wahrscheinlich das Resultat dieses Kinotages. 

Während ich das schreibe, ist schon wieder viel passiert, und ich sitze in Velimalai in den Karalyan Hills, im Guesthouse einer Schule für Tribal Children. Wir sind heute morgen von der Schulleitung und den Kindern (im Alter von 3 bis 10 Jahren) feierlich begrüßt worden und haben die Schulklassen besuchen dürfen. Wegen der Höhe ist es angenehm kühl, und diese Nacht war die beste Nacht, seit ich in Indien bin. Nur die ungewohnte Stille brachte anfänglich meine Ohren zum Dröhnen. Am Morgen sahen wir die Sonne über den diesigen Bergen  höher steigen und freuten uns, hier zu sein. 

1 Kommentar:

  1. Welch bunte Reise. Ich verfolge deine Stationen immer noch mit Begeisterung. Wie lange reist du noch?

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