Sonntag, 20. Januar 2019

Ohne Sicherheitsgurt durch Tamil Nadu

Gestern habe ich wieder etwas Neues gelernt: Es gibt auf den Straßen Indiens (oder sollte ich sagen, in Tamil Nadu?) keinen Unterschied zwischen Abblendlicht und Fernlicht. Genauer gesagt: es gibt NUR Fernlicht, jedenfalls ist das die einzige Variante, die uns auf unserer fünfstündigen Taxifahrt von Madurai nach Trichy gestern begegnet ist, nachdem die Dunkelheit sich über das Land gesenkt hatte. 

Unser Taxifahrer kam nie auf die Idee, dass er sein Licht abblenden könnte, er hupte aber alle an, die ihm entgegen kamen. Ob er vielleicht glaubte, dass man ihn trotz Fernlicht nicht sehen konnte? Oder war er genervt darüber, dass das Fernlicht der anderen Autos ihn blendete? Oder wollte er nur auf Nummer sicher gehen - es konnte ja sein, dass hinter dem Steuer irgendeines Autos ein Blinder saß? Wir, die wir mit zunehmenden Kopfschmerzen in seinem Auto saßen, waren jedenfalls nicht blind, vielleicht aber auf dem Weg dorthin. Ich war mir sicher, dass ich im Schlaf von dem grellen Licht verfolgt werden würde, das in meine Augen blendete. Ich wusste auch nicht, ob ich unseren Fahrer bewundern sollte, weil er unter solchen Umständen überhaupt fahren konnte, oder ob ich ihn hassen sollte, weil er außer der Sache mit dem Fernlicht während der ganzen Fahrt den Finger nur selten von der Hupe nahm. Egal ob es eine Kuh, eine Ziege, ein Fahrradfahrer oder eine Riksha war: es wurde gehupt. Übrigens war ich nicht ganz wahrheitsgetreu, als ich schrieb, es gäbe NUR Fernlicht. Es gibt nämlich noch eine andere Variante: KEIN Licht. Diese Variante tritt häufig bei Mopeds und Motorrädern auf, die einem auch gerne mal auf der falschen Straßenseite entgegenkommen. Kein Grund, sie anzuhupen, finde ich, denn sie sind ja sowieso die Schwächeren. 

Unser Chauffeur konnte, wie bereits früher berichtet, kein Englisch, außerdem kannte er sich in Trichy schlechter aus als ich, was dann natürlich ein Problem war, da wir uns eben nicht verständigen konnten und offensichtlich auch nicht die gleiche Körpersprache hatten. Schließlich, nach mehrmaligen Stops, an einem Tempel, einem Teestand und bei zwei Rikshafahrern, waren wir dann doch am Hotel angekommen. Halb tat uns der Fahrer leid, weil er jetzt wieder die ganze Strecke zurückfahren müsste, halb waren wir heilfroh, ihn endlich loszusein, und aus schlechtem Gewissen sagten wir ihm noch, dass uns sein Musikgeschmack gefallen hatte. Das brachte ihn dann sogar zum Lächeln. Es kommt nicht oft vor, dass ein Inder schwer zum Lächeln zu bringen ist, aber unser Fahrer war ein hartnäckiger Fall. Als wir einmal um eine Toilettenpause baten, hielt er an einem von kargen Büschen bewachsenen Stück Land an und deutete in die Pampa. Meine Mitreisenden stapften mit einer Decke bewaffnet hinaus, aus der sie eine provisorische Toilette „aufstellten“ (zwei hielten die Decke hoch, eine hockte sich hin), aber selbst dieser Einfallsreichtum kam bei ihm nicht sichtbar an. 

Obwohl der Preis verhandelt war und er noch zehn Prozent drauf bekam, war er dann natürlich nicht zufrieden mit der Bezahlung - aber das ist ein Phänomen, das man nach drei Wochen Indien schon zur Genüge kennt, so dass man es sich nicht mehr so sehr zu Herzen nimmt. 



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