Sonntag, 6. Januar 2019

Sonntag in Pondicherry

Neuer Tag, und es geht mir besser, wenn ich mich auch immer noch sehr viel schneuze. Pondicherry gefällt mir gut - das französische Viertel, an dessen Rand wir wohnen, ist verkehrsberuhigt und schattig, und es gibt hier viele schöne Häuser. Die Bewohner scheinen insgesamt moderner zu sein. Man sieht selbstbewusste Frauen mit kurzen Haaren und westlicher Kleidung, die Stimmung ist aufgeschlossen. Im Park wurden wir heute von einer Inderin angesprochen, anders als sonst so oft wollte sie kein Selfie mit uns machen, sondern einfach nur fragen, was es im “Naturhaus” zu sehen gab. Plötzlich war unsere Hautfarbe kein Thema - ein angenehmes Gefühl. Ich bin in der Früh zum “Kofi”-Stand gegangen und habe Kaffee in einem kleinen Keramikbecher getrunken. Dann fragte ich einen jungen Mann, was in der gelben Milch war, die in einem großen Topf vor sich hinköchelte. “Peanut powder” und Safran, bekam ich als Antwort. Natürlich möchte ich das noch probieren, bevor wir morgen wieder von hier wegfahren. 

Sitze gerade in neuen indischen Klamotten auf dem Bett und trinke einen Ingwerkaffee, den ich gestern in einem Gesundheitsshop gekauft habe, der zwar keinen Kaffee enthält, aber sehr viele Gewürze, die hoffentlich meine Erkältung endgültig vertreiben helfen. Wir waren am Vormittag im Botanischen Garten, in der Gesellschaft von vielen Familien mit Kindern und werdenden Ehepaaren, die hier von professionellen Fotografen mit riesigen Kameras ihre Verlobungsfotos machen ließen, in verrückten und vor allem romantischen Posen. Jüngere Liebespaare zogen sich in entlegenere Ecken des Parks zurück. Ich wurde zu einer Yoga-Informationsveranstaltung gelotst, wo eine Inderin vor einer sehr kläglichen Schar von Zuhörern davon erzählte, wie sie eine schwere Erkrankung mit Hilfe von Yoga überwunden hatte. Zwar war ihr Englisch nicht leicht zu verstehen, aber ich klatschte immer mit den anderen ca. 12 Zuhörern, wenn ihre Erzählung wieder an einem Höhepunkt angelangt war. Dann setzte ich mich auf eine der Steinbänke und zeichnete ein wenig, und hinterher gingen wir noch den Lotusteich anschauen, der wie erwartet eine ziemlich trübe Suppe enthielt, allerdings aber tatsächlich auch eine kleine Ansammlung von Lotusblumen. In der buddhistischen Tradition ist der Lotus ein Symbol für Reinheit und Schönheit, die aus dem trübsten Schlamm hervorwächst - so gesehen hatte schon alles seine Richtigkeit.

Nach dem Frühstück machten wir übrigens einen Ausflug zur Papiermanufaktur des Sri Aurobindo Ashrams (der ganz in der Nähe von unserem Hotel liegt). Leider wurde am Sonntag dort nicht gearbeitet, aber der Shop war geöffnet, und ich kaufte einige große Bögen handgefertigtes und -gefärbtes Papier, von denen mir schon noch einfallen wird, was ich damit anstellen kann. Ich liebe Papier und alles was aus Papier gemacht ist!

(Später)

Wir schlossen den Tag mit einem Spaziergang zum Sri Aurobindo Ashram, einem weiteren Besuch der “Kofi”-Bar und einen Rundgang in einer Grünanlage ab, nachdem wir uns auch kurz die Kathedrale der unbefleckten Maria angeschaut hatten, in der gerade ein katholischer Gottesdienst stattfand. 

Im Sri Aurobindo Ashram (man wird vor dem Betreten aufgefordert, seine Schuhe abzugeben und sein Handy auszuschalten) herrschte eine angenehme Stille. Die Besucher gehen an der Grabstätte (“Samadhi” genannt) von Sri Aurobindo vorbei, berühren den Blumenschmuck auf der marmornen Grabplatte, führen die Hand zur Stirn oder zum Herzen, manche gehen in die Knie und sitzen eine Weile mit gefalteten Händen da. Westler und Inder sind vertreten, und viele setzen sich hinterher in dem Innenhof irgendwo hin und meditieren. Mir ist diese Art von Devotion (leider?) fremd, ich fühle mich eher wie eine Zuschauerin, wenn ich auch die Stille und die andächtige Stimmung genoss, und der Steinboden war mir auch schnell zu hart (ich habe heute ziemliche Schmerzen in der Hüfte gehabt).

In der “Kofi”-Bar war derselbe Mann hinter der Theke wie heute Morgen. Mit ständig gleichen Bewegungen spült er die Keramikbecher mit heißem Wasser aus, mischt heiße Milch mit Zucker und gießt sie auf den schwarzen Kaffee, den er zuvor aus einer Metallkanne in die Becher gegossen hat. Am Schluss wird noch mit einem Spritzer Kaffee abgerundet, und man gibt seine Plastikmarke ab, die man zuvor an der Kasse gekauft hat. Für diesen lebendigen Mann habe ich viel mehr Bewunderung als für die Grabstätte eines heiligen Mannes.

Schließlich in der Grünanlage setzten wir uns auf eine Steinumrandung und schauten dem Treiben ein wenig zu. Ein kleiner Junge lief mit seinem blauen Ball vor uns auf und ab. Er hatte Schuhe an, die bei jedem Schritt quietschten wie eine Gummiente, und er traute sich immer nur auf ein paar Meter an uns heran, dann blieb er stehen und lief wieder weg, dabei quietschten seine Schuhe je nach Laufgeschwindigkeit schneller oder langsamer. Ein kleines Mädchen hatte Blumenschmuck in ihrem kurzen schwarzen Haar und trug einen rosa Tutu. Familien machten Selfies, junge Männer liefen verloren oder in kleinen Gruppen vorbei. 

Es ist, als gäbe es in Pondicherry viele Städte in einer Stadt, ganz davon abhängig wo man sich gerade befindet, aber das ist wohl in jeder größeren Stadt so. Wir kamen an Informationsständen der Yoga-Woche vorbei, liefen durch eine Markthalle mit vielen Essensständen. Mais wurde über dem Feuer von uralten Eisenöfen geröstet, man konnte Samosas kaufen, ein Bohnen-Kräuter-Gemisch und viele andere Gerichte.


Morgen geht es weiter nach Chidambaram - ein Pilgerort für Hindus, in vieler Hinsicht ein Extrem auf unserer Reise, ein Ort, den ich ein wenig fürchte, der mich aber auch fasziniert.

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